Am 3. Januar 2020 feuerte eine US-amerikanische Drohne vom Typ General Atomics MQ-9 „Reaper“ (Sensenmann) mehrere Luft-Boden-Raketen vom Typ AGM-114 „Hellfire“ (Höllenfeuer) in eine Fahrzeugkolonne unweit des Flughafens von Bagdad. Dabei starben Generalmajor Qasem Soleimani, Kommandeur der iranischen Al-Kuds-Brigaden, und sechs weitere Menschen. Deswegen haben acht Bundestagsabgeordnete der Linken Strafanzeige beim Generalbundesanwalt gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Außenminister Heiko Maas (SPD) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) gestellt. Der Vorwurf lautet auf „Beihilfe zum Mord durch Unterlassen“. Als Begründung gab der Linken-Obmann im Verteidigungsausschuss, Alexander Neu, an: „Wir können es nicht länger hinnehmen, dass die Bundesregierung den völkerrechtswidrigen US-Drohnenkrieg ermöglicht und unterstützt und damit auch selbst das Völkerrecht bricht.“
Ersteres entspricht tatsächlich der Realität: Die Steuerbefehle für die unbemannten ferngelenkten Flugkörper, die im „Krieg gegen den Terror“ eingesetzt werden, kommen zwar aus den USA, müssen wegen der Erdkrümmung aber über Satelliten-Relaisstationen im Ausland weitergeleitet werden. Eine davon befindet sich im 603d Air and Space Operations Center auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein Air Base in Rheinland-Pfalz. Außerdem koordinieren die Amerikaner von hier aus ihre umstrittenen Drohnen-Einsätze zwecks gezielter Tötung von Gegnern im Raum zwischen Libyen und Pakistan.
Berlin scheut die Nagelprobe
Aus diesem Grunde verklagten der Jemenite Faisal bin Ali Jaber und zwei seiner Verwandten die deutsche Bundesregierung im Oktober 2014 vor dem Verwaltungsgericht Köln. Anlass war der gewaltsame Tod von Angehörigen in dem ostjemenitischen Dorf Kashamer infolge eines US-Drohnenangriffs. Als Begründung hieß es: Die Duldung der Nutzung der Basis in Ramstein für solche Attacken, bei denen regelmäßig auch zahlreiche unbeteiligte Zivilisten zu Schaden kämen, verstoße gegen die Schutzpflichten der Regierung in Berlin gemäß Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes. Das Gericht in Köln wies die Klage allerdings als unbegründet ab.
Dahingegen verwarf das anschließend angerufene Oberverwaltungsgericht Münster am 19. März 2019 die Entscheidung der ersten Instanz und gab den Klägern im Wesentlichen recht: Die gegenwärtige Praxis des US-Drohnenkrieges stehe „mit humanitärem Völkerrecht nicht in Einklang“ und berge „ein erhebliches strukturelles Risiko von Verstößen gegen … das grundsätzliche Verbot direkter Angriffe auf Zivilpersonen“. Deshalb müsse sich die Bundesregierung „durch geeignete Maßnahmen … vergewissern, dass eine Nutzung der Air Base Ramstein … nur im Einklang mit dem Völkerrecht“ stattfinde, und andernfalls ernsthaft versuchen, die Angriffe zu unterbinden, um ihrer zweifellos bestehenden Schutzpflicht nachzukommen. So könne sie beispielsweise mit einer Aufkündigung des NATO-Truppenstatuts drohen, denn das verpflichte die USA, sich bei der Nutzung Ramsteins an das deutsche Grundgesetz zu halten.
Sollte die Bundesregierung Derartiges wirklich wagen, wäre dies die Nagelprobe, wie souverän das wiedervereinigte Deutschland denn nun tatsächlich ist. Und auf die will man es in Berlin offenbar nicht ankommen lassen. Davon zeugt die umgehende Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das seinerseits noch keinen Verhandlungstermin anberaumte. Allerdings konterkariert die Anzeige der Linken-Politiker nun die Verzögerungstaktik von Merkel und ihren Parteigängern.
Kurzporträts
Der Friedensnobelpreisträger und US-Präsident Barack Obama ordnete mehrere hundert Drohnenangriffe an, bei denen auch tausende Zivilisten starben
Generalmajor Qasem Soleimani, verantwortlich für die verdeckte iranische Kriegführung im Ausland, ist eines der prominentesten Opfer der US-Drohnen
Die Entwicklung der Predator-Drohnen resultierte ganz wesentlich aus den Anregungen des israelischen Ingenieurs und „Drohnen-Vaters“ Abraham Karem