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20.03.20 / Wohnungspolitik / „Wieder die Eigentumsfrage stellen“ / Linkspartei fällt in uralte kommunistische Forderungen zurück – nicht nur in Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12 vom 20. März 2020

Wohnungspolitik
„Wieder die Eigentumsfrage stellen“
Linkspartei fällt in uralte kommunistische Forderungen zurück – nicht nur in Berlin
Norman Hanert

Erst im Februar ist der Berliner Mietendeckel in Kraft getreten. Statt abzuwarten, welche Wirkung die neue Regelung zeigt, treibt die Linkspartei das Thema Enteignungen von Wohnungsbeständen nun offensiv voran. Dahinter steckt offenbar ein langfristiges Kalkül.

Auf einer Klausurtagung der Berliner Linkspartei-Fraktion stand Anfang März neben einem Gesetz, das den Verkauf landeseigener Grundstücke verhindern soll, auch erneut das Thema „Vergesellschaftung von Wohnraum“ auf der Tagesordnung. Bereits vergangenes Jahr hatte die Partei das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ aktiv unterstützt, indem sie für die Initiative Unterschriften sammelte und ein Gutachten in Auftrag gab. 

Der beauftragte Gutachter Joachim Wieland bescheinigt dem Enteignungsvolksbegehren, dass es mit dem Grundgesetz, der Berliner Verfassung und auch EU-Recht vereinbar sei. Der Professor für Öffentliches Recht an der Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer kam auch zu dem Schluss, eine Entschädigung müsse „keinesfalls notwendig am Verkehrswert orientiert sein“.

Auf ihrer jüngsten Klausurtagung griff die Berliner Linkspartei-Fraktion das umstrittene Thema wieder auf. Harald Wolf, neun Jahre lang Wirtschaftssenator unter Klaus Wowereit, erklärte zu Enteignungen: „Es geht, man kann es machen, und es ist sinnvoll, weil wir damit einen spekulativen Kreislauf auf dem Berliner Immobilienmarkt unterbrechen.“

Ohne angemessene Entschädigung

Unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht legte der Linkspartei-Politiker dar, Entschädigungen müssten sich nicht starr allein am Marktwert der Immobilie orientieren. Laut Wolf macht dies eine Finanzierung der Entschädigungszahlungen mit Hilfe langfristiger Darlehen möglich. Der Ex-Senator rechnete auch gleich noch vor, wie sich aus seiner Sicht die sogenannte Vergemeinschaftung von großen Wohnungsbeständen rechnen könnte: Würden beispielsweise an Berlins größten Vermieter, die Deutsche Wohnen, nur 10,8 Milliarden Euro an Entschädigung für die Enteignung gezahlt, läge laut Wolf die jährliche Belastung für das Land Berlins bei 337,5 Millionen Euro, Zins und Tilgung inbegriffen. Dem ständen aber auch Mieteinnahmen gegenüber, sodass am Ende sogar ein Gewinn von rund etwa 108 Millionen Euro übrigbliebe, so die Rechnung Wolfs.

Für die rot-rot-grüne Koalition stellen derlei Gedankenspiele ein erhebliches Streitpotenzial da. Vermutlich mit Rücksicht auf potenzielle Wähler, die sich der politischen Mitte zuordnen, unterstützten SPD und Grüne die Enteignungspläne bislang nämlich nicht öffentlich oder bezeichneten sie allenfalls als allerletztes Mittel. Beide Koalitionspartner der Linkspartei müssen allerdings damit rechnen, dass noch vor den nächsten Wahlen zum Abgeordnetenhaus in der Stadt eine heiß geführte Enteignungsdebatte hochkochen wird. 

Inzwischen verdichten sich die Anzeichen, dass der eben erst in Kraft gesetzte Mietendeckel juristisch keinen Bestand hat, weil er entweder vom Bundesverfassungsgericht oder vom Landesverfassungsgericht wieder einkassiert wird. Erst vor Kurzem hat nämlich das Berliner Landgericht in einem Urteil die gesetzlichen Vorschriften des Mietendeckels als verfassungswidrig bewertet. 

Auch Auto- und Energieindustrie

Aus Sicht des Gerichts fehlt dem Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz für den Mietendeckel. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht unlängst einen Eilantrag von Berliner Vermietern gegen den Berliner Mietendeckel abgelehnt. Allerdings kündigte das Landgericht nach 

seinem Urteil an, das Bundesverfassungsgericht über die Frage entscheiden zu lassen, ob der Mietendeckel verfassungsgemäß sei. 

Sollte die maßgeblich von der Linkspartei vorangetriebene Regelung tatsächlich in Karlsruhe scheitern, könnte dies paradoxerweise der Partei als Argument dienen, um bei den Enteignungsforderungen in die Offensive zu gehen. Bei den Dunkelroten sind entsprechende Forderungen ohnehin salonfähig, und zwar nicht nur bei der Berliner Linkspartei: Deutlich wurde dies auf der Strategietagung, zu der Genossen aus ganz Deutschland nach Kassel gereist waren. 

Inge Höger, die NRW-Landesvorsitzende der Linkspartei, hielt auf der Tagung beispielsweise ein vehementes Plädoyer für Enteignungen, die längst nicht mehr nur den Wohnungssektor betreffen sollen. Die frühere Bundestagsabgeordnete sagte: „Wir müssen zusammen mit der Arbeiterklasse – wir müssen auch mal wieder von Klasse reden – einen radikalen Systemwechsel hinbekommen, und dafür ist natürlich notwendig, dass wir die Energieindustrie vergesellschaften, dass wir auch die Autoindustrie vergesellschaften, dass wir die Eigentumsfrage wieder stellen.“