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20.03.20 / Gedenken / Vor 75 Jahren im Raum Stettin / Originalaufzeichnungen des Arztes Dr. Hermann Manzke – 2. Teil

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12 vom 20. März 2020

Gedenken
Vor 75 Jahren im Raum Stettin
Originalaufzeichnungen des Arztes Dr. Hermann Manzke – 2. Teil
Brigitte Klesczewski

Fortsetzung aus Folge 10/2020

Für die jüngeren Generationen ist der II. Weltkrieg schon Geschichte geworden. Deshalb sollte es nicht überflüssig sein, noch einmal vor Augen zu führen, was sich in den letzten drei Monaten des II. Weltkrieges ereignete. Zeitzeugen aus dieser Zeit gibt es bald nicht mehr.

Im Nachlass meines Vaters Dr. Hermann Manzke befand sich ein Tagebuchfragment, das detailliert Auskunft über diese Zeit erteilt, und zwar in der Zeit vom 10. März – 28. April 1945.

Und immer wieder neue Quartiere. Am 26.03. sieht es im Quartier in der Hauptstraße zu Warsow recht ordentlich aus. Am Nachmittag fahre ich mit dem Brigadearzt und Unterarzt Wrede nach Stettin. Am Abend kommt meine Versetzung zum Bataillon Amann. Als Regimentsarzt finde ich Stabsarzt Breiter vor, den ich im Februar in Hökendorf kennengelernt habe.

Am 27.03. kommt der Befehl zum Abmarsch aus Warsow. Keine Zeit für die Männer des Volkssturms für etwas Ausbildung. Das Bataillon kommt nach Neudorf. Mein Quartier ist bei Bauer Köpsel in Neudorf neben der Landstraße nach Pölitz.

28.03. Mein neues Bataillon ist ein „Magenbataillon“. Viele Soldaten klagen über Magenschmerzen, leiden an Magengeschwüren. Es gibt für die erkrankten Soldaten Diätessen und nur Weißbrot. Mein Sanitäter Hollenberg ist eine ausgezeichnete Hilfe bei den Verordnungen für die Soldaten. Mit Hauptmann Amann, Oberleutnant Stelter und Oberfeldwebel Bering verstehen wir uns gut.

Am 31.03. wird schon früh am Morgen eine Kompanie Volkssturm gemustert. Am 03.04. erfahre ich, dass man mich in Greifswald und Anklam, wohin die Hökendorfer zum größten Teil nach der Flucht untergekommen sind, für tot hält.

Am 05.04. geht unser Bataillon nach den ruhigen Ostertagen nach Odermünde und auf die Inseln in der Oder. Es soll dort Stellung beziehen. Die Unterkunft des Reviers soll im Luftschutzkeller der Feldmühle sein. Die Räume für Behandlung, Operation, Arzt und Kranke, Zimmer mit Bad, sind fabelhaft. Instrumente und Medikamente sind reichlich vorhanden. Der Leiter des Werkschutzes, Major Ringelmann (sein Dienstgrad stammt noch aus dem 1. Weltkrieg), ist dort gleichzeitig Bataillonsführer des Volkssturmes Feldmühle. Er ist sehr schweigsam, möchte aber nichts abgeben. Das Revier wird mir zur Mitbenutzung zugewiesen. Die 4 Sanitäter vom Werkschutz unterstützen uns jedoch. Doch Major Ringelmann sieht uns weiterhin als Eindringlinge an.

Am 06.04. sollen Ringelmann und ich mit Oberleutnant Stelter zum General wegen der Übernahme in die Wehrmacht kommen.

Am 07.04. erkunde ich die Feldmühle, von der meine Frau, als sie im Kreis Randow als Fürsorgerin tätig war, viel erzählt hatte. Tatsächlich ist auf sozialem Gebiet von der Werkleitung viel für die Beschäftigten dort getan worden. Sie erhielten z. B. schöne Wohnungen und nicht zu vergessen überall die komfortablen sanitären Einrichtungen auf dem Gelände.

Am 08.04. fahre ich mit Major Ringelmann mit dem Auto zu General Hübner nach Stettin. Der General hält eine kleine Ansprache. Ich bekomme als Leutnant den Ausweis. Major Ringelmann wird auf Grund seines Alters nicht von der Wehrmacht übernommen. Damit ist der Machtkampf mit Hauptmann Amann erledigt.

Am Abend werden wir abgelöst und nach Frauendorf verlegt. Mein Quartier auf einem verlassenen Bauernhof ist jetzt wieder primitiver.

Am 09.04. hat mir mein Sanitäter geholfen, meine Uniform herzurichten. Am Abend geht die Reise nach Gotzlow. Der Stab zieht in die Villa von Architekt Dr. Reichow in der Bergstraße Nummer 5, dicht am Rande des Julo und Bismarckturmes, ein. Die Reichowsche Villa ist sachlich und übermodern. Er ist ein hoher Beamter der Stadt Stettin. Die Villen in der Bergstraße stehen alle leer.

Am 10.04. besuche ich den Bismarckturm. Der Blick vom Turm über den Dammschen See bis nach Altdamm und Hökendorf ist überwältigend. Früher war hier ein großes Ausflugsgebiet für die Stettiner. Jetzt liegen versteckt im Gebüsch Munitionslager und Geschützstellungen. Unser Schutzabschnitt reicht von Stolzenhagen bis einschließlich Frauendorf, weiter über die Oder und die vorgelagerten Inseln vor dem Dammschen See. Auf den Höhen von Frauendorf stehen unsere schweren Infanteriewaffen.

Am Nachmittag des 11.04. wandere ich zu meiner früheren Wirkungsstätte, zum Krankenhaus in Frauendorf. Es ist größtenteils grausam durch frühere Fliegerangriffe zerstört worden. Es befinden sich  einige Patienten noch im Bunker, wo es auch einen Operationsraum gibt. Am Abend lerne ich Frau Studienrätin Stroke kennen. Sie besitzt die Villa in der Bergstraße Nummer 7. Sie vertraut uns ihr Haus an. Die Verpflegung ist weiterhin gut. Abends gibt es nur Beleuchtung mit Hindenburglichtern.

12. 04. Heute Vormittag ging ich zum Artilleriebeobachtungsoffizier und habe durchs Scherenfernrohr gesehen. Auf der Autobahnbrücke von Hökendorf sieht man Autos fahren. Schmerzlich ist es, die Heimat so nahe zu haben und nicht hinzukönnen.

In der Zeit vom 13. – 22. 04. kommt Dr. Reichow, um nach seinem Haus zu sehen. Meine Arbeit mit den Sanitätern verläuft gut. Auch mit dem Stabsarzt lässt es sich gut zusammenarbeiten. Der Brückenkopf Langenberg muss aufgegeben werden. Östlich der Oder lohen Feuer auf. Feindliche Flieger sind täglich über uns. An den Befestigungsanlagen von Stettin wird eifrig gearbeitet. Ein Panzergraben wird bei Warsow hergestellt. Stettin soll auf alle Fälle gehalten werden. Die Oder ist die Hauptkampflinie. Wir müssen damit rechnen, dass wir eingeschlossen werden. Wir sind jetzt das 2. Festungsregiment unter Major Klos. 

(Fortsetzung folgt)