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20.03.20 / Veteran im Museumshafen / Fährschiff „Stralsund“ im Museumshafen Wolgast / Vor 75 Jahren durch Zivilcourage gerettet – heute ein schwimmendes Denkmal

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12 vom 20. März 2020

Veteran im Museumshafen
Fährschiff „Stralsund“ im Museumshafen Wolgast
Vor 75 Jahren durch Zivilcourage gerettet – heute ein schwimmendes Denkmal
Martin Stolzenau

Zur Vielfalt der Denkmalkultur in Mecklenburg-Vorpommern gehören historische Bauten, Hafen- sowie Festungsanlagen,  Heimatmuseen, Kunstsammlungen und auch Schiffe. Mittendrin das Fährschiff Stralsund mit einer langen und wechselvollen Geschichte, die 1890 mit dem Einsatz im Fährverkehr zwischen Stralsund Hafen und Gralhof bei Altefähr auf Rügen begann. Das Fährschiff war über 100 Jahre an der Küste Vorpommerns im Einsatz, wurde durch den couragierten Kapitän Rudolf Kleiner am 28. April 1945 vor der befohlenen Selbstzerstörung bewahrt und gilt heute als das älteste erhaltene Dampffährschiff Europas. Dieses technische Denkmal hat jetzt seinen Liegeplatz im Hafen von Wolgast, wird von einem engagierten Förderverein erhalten und kann von technisch interessierten Besuchern nach Voranmeldung besichtigt werden. 

Das Fährschiff wurde auf der Ferdinand-Schichau-Werft in Elbing erbaut, hatte die Baunummer 440 und wurde am 20. Dezember 1890 als drittes Fährschiff für den Strelasund zwischen Stralsund und Rügen mit dem Namen Stralsund in Dienst gestellt. Das Schiff hatte eine  Länge von 37,46 m und eine Breite von 9,8 m. Die Maschinenleistung lag bei 200 PS. Damit wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 15 km/h erreicht. Der Gleisbestand bot Platz für bis zu vier Waggons. Dazu konnte man bis zu 300 Personen befördern. Im Gefolge des wachsenden Güterverkehrs wurden nach zehn Jahren auf dem Strelasund größere Fährschiffe benötigt. Deshalb erhielt das Fährschiff Stralsund 1901 einen neuen Einsatzort, und zwar Swinemünde. Von hier aus wurde der Fährverkehr zwischen Usedom und Wollin realisiert und im Winter die Eisfreiheit der Swine und im Sassnitzer Fährbecken gesichert. Es folgten 1926 umfangreiche Erneuerungsarbeiten auf der Vulkanwerft in Stettin und dann Transportaufgaben bei der Zuführung von Baumaterialien für den Aufbau der Heeresversuchsanstalt Peenemünde, wo dann die V-Waffen entwickelt wurden. Dazu gesellten sich Transporte für die Raketenversuchsanlagen auf der Greifswalder Oie. 

Als dann alliierte Bomber Peenemünde am 18. August 1943 angriffen, blieb das Fährschiff Stralsund weitgehend unbeschädigt. Es blieb in der Folge als Transporter vor Vorpommerns Küste im Einsatz. Bis zum 28. April 1945. Die Rote Armee nahte. Die Wehrmacht verließ Usedom, sprengte die Hubbrücke Karnin sowie die Wolgaster Peenebrücke und befahl dem Kapitän des Fährschiffes Stralsund die Selbstversenkung. Doch Rudolf Kleiner und seine Besatzung entzogen sich der Befehlsausführung, flüchteten in den Schutz der Halbinsel Mönchgut und retteten damit das Schiff. Das war eine Zäsur.

Nach der Übernahme des Schiffes durch die Sowjetische Militäradministration wurde das Fährschiff wieder als Transporter zwischen Peenemünde und Swinemünde bzw. Stettin eingesetzt. Ab Sommer 1946 diente es dann zwischen dem Wolgaster Hafen und der Insel Usedom als Fährschiff zur Personen- sowie Güterbeförderung. Ab 1949 gehörte das Fährschiff zur Deutschen Reichsbahn. Der Standort Wolgast blieb. 

Als dann die Mängel an den Dampfmaschinen trotz Wartungsarbeiten auf der Wolgaster Peenewerft anstiegen und eine umfassende Sanierung auf der Elbewerft in Dresden- Laubegast zu große Kosten verursacht hätte, folgte nach dem hundertjährigen Dienstjubiläum  am 31. Dezember 1991 das offizielle Aus für das Fährschiff. Neuer Besitzer des technischen Denkmals wurde die Stadt Wolgast, die einige Reparaturen durchführte, zwischen 1993 und 1995 einer kurzzeitigen Reaktivierung als Eisenbahnfähre zustimmte und den geschichtsträchtigen Pott zunächst im Wolgaster Museumshafen stationierte. 2018 erfolgte eine Unterwasserkonservierung auf der Wolgaster Peenewerft und die Übersiedlung als Museumsschiff in den Stadthafen, wo sich nun ein rühriger Förderverein um die Erhaltung und die Nutzung durch Besucher kümmert. Im Stralsunder Marinemuseum ist ein Modell des geschichtsträchtigen Fährschiffes ausgestellt.