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20.03.20 / Bad Homburg / Heilwasser für den Dichter / Der vor 250 Jahren geborene Hölderlin lebte einige Zeit am Rande des Taunus – dort brach sein Wahn aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12 vom 20. März 2020

Bad Homburg
Heilwasser für den Dichter
Der vor 250 Jahren geborene Hölderlin lebte einige Zeit am Rande des Taunus – dort brach sein Wahn aus
Bettina Müller

Als Zeitreisender hätte sich Hölderlin wohl auch sehr über eine Tankstelle namens „On the run“ gewundert, die ein Paradoxon namens „Kaffeegenuss für Eilige“ anpreist. Von der viel propagierten „Champagnerluft und Tradition“ Bad Homburgs ist auf der Flucht vor der Tankstelle noch nichts zu spüren. Zügig nähert man sich also dem Stadtkern, wo man dann endlich sehr gut aufgehoben ist. 

Wie mag sich dem vor 250 Jahren im württembergischen Lauffen geborene Hölderlin (siehe auch Seite 9) der Ort einst dargeboten haben, als er in dem ehemaligen Homburg – Bad Homburg darf sich der Ort im Hochtaunuskreis erst seit 1912 nennen – in den Jahren 1798 bis 1800 und 1804 bis 1806 als Protegé des Geheimen Regierungsrats Isaac von Sinclair, lebte? Sinclair, ein alter Studienfreund aus Jena, verhalf dem Freund beim zweiten Aufenthalt zu einer Stelle als Hofbibliothekar, die er aus eigener Tasche bezahlte. In Homburg sah der Dichter eine landschaftlich sehr reizvolle Umgebung und das beständige Wahrzeichen der Stadt, das Landgrafenschloss, das dem Besucher noch heute als Orientierungspunkt dient.

Historisch gewachsen sind später die Gassen der Altstadt. Auf dem Reißbrett geplant wurde hingegen die Neustadt, in der sich die zahlreichen Geschäfte gediegen-modern geben. Der „Hauptschlagader“ der Stadt, der nicht enden wollenden Luisenstraße, hätte Hölderlin vermutlich nichts abgewinnen können, zumal seine Geldmittel als Hauslehrer knapp waren und er aus diesem Grund Homburg 1800 zunächst einmal den Rücken kehrte. 

Doch es zog ihn zurück in ein Haus in der Dorotheenstraße 34, das, einst unter heftigem Protest abgerissen, originalgetreu wieder nachgebaut wurde. Eine Gedenktafel an Hölderlins Aufenthalt ziert die Außenwand. Den Kurpark hätte er geliebt, wäre in ihm umhergeschweift auf der Suche nach Inspiration, bis er nach und nach dem Wahnsinn verfiel. 

Der 44 Hektar große Kurpark entstand jedoch erst nach seinem Tod, ab 1852 wurde er von dem Königlich-Preußischen Gartendirektor Peter Joseph Lenné gestaltet, fast könnte man auch sagen, komponiert, so perfekt gelang ihm auch dieses gartengestalterische Ensemble, in dem heute die Welt zu Gast ist: eine russische Kirche mit goldener Kuppel; ein prächtiger thailändischer Tempel mit der Chulalongkornquelle, die das thailändische Königshaus 2007 anlässlich des 100. Jubiläums des Kuraufenthalts des siamesischen Königs stiftete; der riesige Elisabethenbrunnen, eigentlich eine Tempelanlage in reinstem Jugendstil, der Heilwasser für Magen- und Darmkranke liefert. 

Die Schönheit flüchtet

Das alles und noch viel mehr ist hier auf einer Fläche möglich, die so auch mehrere Religionen friedlich vereinigt. Trotz aller Harmonie: Hölderlin wäre im Kurpark nicht wieder genesen. Seine hier diagnostizierte Geisteskrankheit konnte man nicht mit Heilwasser behandeln, schon eher mit meditativen Aufenthalten in der von ihm so geliebten Natur lindern. Doch auch die Landgräfliche Gartenlandschaft an der Tannenwaldallee war zu seiner Zeit noch im Entstehen begriffen. Gleich zwei Generationen von Landgrafenfamilien schufen ab 1770 ein einzigartiges Refugium bestehend aus verschiedenen kleineren Themengärten wie unter anderem dem Englischen Garten und dem Kleinen und Großen Tannenwald.

Als Sinclair 1815 starb, vegetierte Hölderlin in Tübingen im Wahn vor sich hin, bis der Tod 1843 seine Seelenqualen beendete: „Die Schönheit flüchtet / Aus dem Leben der Menschen / Sich herauf in den Geist, / Ideal wird, was Natur war“. Diese Zeilen aus seinem Roman „Hyperion“ zieren die Rückseite des 1883 enthüllten Hölderlin-Denkmals im Kurpark. 

Ist es irgendwann genug der Schöngeistigkeit, kann sich der Besucher in der „Erlebniswelt Spielbank“ verlustieren. Andere zieht es stadtauswärts die Saalburgstraße entlang, vorbei am Alten Jüdischen Friedhof, hoch zur Saalburg, der Nachbildung eines Römischen Kastells. Zugleich ist sie Ausgangspunkt für Wanderungen in die Umgebung. So erreicht man nach nur sechs Kilometern das Freilichtmuseum „Hessenpark“, das von den Zuschauern des Hessischen Rundfunks vor ein paar Jahren zur Top-Attraktion des Landes gewählt wurde. 

Der „Hölderlinpfad“ wiederum nimmt seinen Anfang am Landgrafenschloss und führt insgesamt 22 Kilometer bis nach Frankfurt am Main. Aus welchen Beweggründen ein Wanderer heutzutage so unterwegs ist, kann man in der Regel nicht wissen. Hölderlin machte sich aber beflügelt von der Liebe zu der verheirateten Kaufmannsfrau Susette Gontard auf den Weg und wird daher die 22 Kilometer fast schwebend überwunden haben. 

Ausstellung „Hölderlin – Ein geprägtes Bild“, bis 30. Juni im Städtischen Museum im Gotischen Haus, Tannenwaldweg 102.