24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.03.20 / Till Eulenspiegel / Von „hinte(r)n“ betrachtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12 vom 20. März 2020

Till Eulenspiegel
Von „hinte(r)n“ betrachtet
S. Friedrich/H. Tews

Der bronzene Daumen der Eulenspiegelfigur in Mölln wird dieses Jahr noch blankgeputzter sein als sonst. Denn 2020 jährt sich der Geburtstag des mittelalterlichen Schelms zum 720. und der Todestag zum 670. Mal.

Bis heute ist allerdings unklar, ob Till Eulenspiegel wirklich lebte oder ob er nur eine Erfindung der Dichter war. Der volkstümlichen Überlieferung nach soll im Jahr 1300 in dem Dorf Kneitlingen im heutigen Landkreis Wolfenbüttel in Niedersachsen ein gewisser „Dyl Ulenspegel“ geboren worden sein. Seine Eltern sollen demnach arme Bauern gewesen sein, doch die Taufe ihres Sohnes sollte ein Fest werden. In der Kirche des Nachbarorts Ampleben goss ihm der Pfarrer Weihwasser über die Stirn. Als die Amme den Kleinen im Arm zur Feier trug und über einen Steg gehen musste, fiel sie mit ihm in den Bach. Dort bekam er die zweite Taufe. Schließlich wusch die Mutter ihn zu Hause mit Wasser sauber. Dreimal hält besser. 

So, wie sein Leben begann, setzte es sich auch fort. Till wurde ein Spaßvogel, der anderen gerne Streiche spielte. Bald zog man ins magdeburgische Land, wo sein Vater starb. Till lebte mit der Mutter allein und sollte ein Handwerk erlernen, doch er wollte lieber Künstler werden. So verließ Till sein Zuhause und ging auf Wanderschaft. Vorwiegend lebte er im Braunschweiger Land, aber seine Wege führten ihn auch nach Ulm, Nürnberg, Berlin, und sogar Prag und Rom werden in den Aufzeichnungen genannt. 

Das Besondere an ihm war aber, dass er nur äußerlich wie ein Narr wirkte. In Wahrheit verbarg sich hinter dem Witzbold ein kluger Mensch, der mit Scharfsinn und Witz den Reichen wie auch den Armen ihre Dummheiten, Fehler, Eitelkeiten und Schwächen wie in einem Spiegel vorhielt. 

Eulenspiegel wird oft mit Eule und Spiegel dargestellt. Doch ursprünglich bedeutete der Name etwas ganz anderes. „Ulen“ heißt im mittelniederdeutschen „wischen“ und „Spegel“ bedeutet „Gesäß“. Das kennt man heute noch in der Jägersprache, wo das helle Fell am Hinterteil von Rehen und Hirschen als „Spiegel“ bezeichnet wird. So heißt also Ulenspegel eigentlich „Wisch’ mir den Hintern“.

In Mölln soll er 1350 gestorben und auf dem Kirchhof beerdigt worden sein. 1510 erschienen seine Streiche erstmals anonym in dem Volksbuch „Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel“. Der Belgier Charles de Coster schuf mit seinem „Ulenspiegel“-Epos 1867 einen Klassiker ebenso wie Richard Strass mit seiner sinfonischen Dichtung „Till Eulenspiegels lustige Streiche“. Mit seinem 2017 erschienenen Roman „Tyll“ beging der Schriftsteller Daniel Kehlmann eine eigene Eulenspiegelei, indem er den Schelm in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges auftreten lässt.