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27.03.20 / Konferenz von Sanremo vor 100 Jahren / Als Großbritannien und Frankreich Arabien unter sich aufteilten / Ohne Rücksicht auf die betroffenen Völker zogen die Sieger des Ersten Weltkrieges im vormaligen Osmanischen Reich neue Grenzen. Die Folgen des Betrugs an Arabern und Juden reichen bis heute

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13 vom 27. März 2020

Konferenz von Sanremo vor 100 Jahren
Als Großbritannien und Frankreich Arabien unter sich aufteilten
Ohne Rücksicht auf die betroffenen Völker zogen die Sieger des Ersten Weltkrieges im vormaligen Osmanischen Reich neue Grenzen. Die Folgen des Betrugs an Arabern und Juden reichen bis heute
Bodo Bost

Noch ehe der Bär erlegt war, wurde sein Fell bereits verteilt. Der Erste Weltkrieg war noch im Gange, da machten sich die Briten bereits Gedanken über die Verteilung des arabischen Teils des Osmanischen Reiches. Ihr mit den Franzosen geschlossenes Sykes-Picot-Abkommen sah eine Aufteilung der arabischen Provinzen des Osmanischen Reiches in britische und französische Einflusszonen vor. Da die Briten jedoch sowohl die Juden als auch die Araber als Verbündete im Kampf gegen die Mittelmächte gewinnen wollten, machten sie ihnen Hoffnungen, die sich sowohl gegenseitig als auch dem Sykes-Picot-Abkommen widersprachen. 

Sir Henri McMahon, britischer Hochkommissar für Ägypten, umgarnte vor allem die Araber. In seiner Korrespondenz von 1915/16 mit dem Scharifen Hussein von Mekka, mit dem er die arabischen Stämme zur Revolte gegen die Osmanen aufwiegeln wollte, versprach er dem Adressaten ein haschemitisches Königreich Großsyrien. Außer Unterstützung im Kampf gegen die Osmanen erhofften sich die Briten von einem Bündnis mit den Arabern positive Auswirkungen auf ihre Kronkolonie in Indien, in der neben Hindus auch viele Glaubensbrüder der Araber lebten.

Versprechungen an Araber

Großbritanniens Außenminister Arthur James Balfour umgarnte währenddessen die Juden. Mit der sogenannten Balfour-Deklaration von 1917 zur Errichtung einer Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina wollten die Briten eine Annäherung zwischen dem deutschen Kaiser, der 1898 Theodor Herzl in Jerusalem getroffen hatte, und den Zionisten verhindern. Gefahr war im Verzug. Der jüdische Arbeiterführer in Palästina, David Ben Gurion, sympathisierte bereits mit den Jungtürken und wollte ein Palästina unter Führung der mit den Deutschen verbündeten Türken.

Nach dem Krieg kam die Stunde der Wahrheit, kollidierten die Interessen der Araber immer offensichtlicher mit denen der Siegermächte, denen an einer Beibehaltung ihrer führenden Rolle in der Region gelegen war. Immerhin versuchten zumindest die Araber und die Zionisten in der Person von Faisal bin Hussein, dem Sohn des Scharifen von Mekka, und Chaim Weizmann, dem Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation (WZO), im Januar 1919 in Akaba einen Ausgleich zu finden. Dort verzichtete Faisal, der sich – da der Kalif in Konstantinopel besiegt war – als Führer der islamischen Welt ansah, zugunsten der Zionisten auf Palästina, wenn diese ihn bei seinem Ziel unterstützten, König eines großsyrischen Reiches unter britischer Schirmherrschaft zu werden. Am 8. März 1920 erklärte der Allgemeine Syrische Nationalkongress die Unabhängigkeit eines Gebietes, das die heutige Syrische Arabische Republik, Palästina, die heutige Libanesische Republik und einen Teil des Nordens der heutigen Republik Irak umfasste, sowie Faisal I. zu dessen König. 

Dies erkannten die Alliierten nicht an, und so verzichtete Faisal darauf, persönlich der Einladung zur Konferenz von Sanremo zu folgen, die vor 100 Jahren, vom 19. bis zum 26. April 1920, im italienischen Kurort an der Riviera di Ponente in Ligurien stattfand. Er wurde auf der Konferenz von Nuri as-Said vertreten, während Weizmann die Interessen der zionistischen Weltorganisation auf dem Treffen wahrnahm. Das Sagen hatten auf der Konferenz jedoch andere. Dieses waren neben den italienischen Gastgebern die Vertreter Großbritanniens und Frankreichs. Folgerichtig standen an der Spitze der Delegationen der drei europäischen alliierten Hauptmächte die jeweiligen Regierungschefs David Lloyd George, Alexandre Millerand und Francesco Nitti, während die alliierte Hauptmacht Japan nur durch ihren Botschafter in Frankreich und Bevollmächtigten bei der Pariser Friedenskonferenz vertreten war und die assoziierte Hauptmacht USA nur durch einen Beobachter.

Balfour-Deklaration von 1917

Entsprechend fiel das Ergebnis aus. Frankreich erhielt in Sanremo das Völkerbundsmandat für Syrien und den Libanon zugesprochen, während Großbritannien Palästina dies- und jenseits des Jordan sowie den heutigen Irak als Britisches Mandat Mesopotamien bekam. Als die Franzosen das ihnen auf der Konferenz von Sanremo zugesprochene Damaskus in Besitz nehmen wollten, stellten sich ihnen von Beirut aus anrückenden Truppen Faisals an einer Passstraße bei Maysalun in den Weg. In der sich daraus entwickelten Schlacht von Maysalun vom 23. Juli 1920 schlugen die Franzosen die Syrer. Als Trostpflaster erhielt Faisal von den Briten den Thron des Irak, der diesen aber eben sowenig befriedigen konnte wie die arabische Nationalbewegung. 

Sykes-Picot-Abkommen 

Der Wunsch der aus der Konkursmasse des Osmanischen Reiches befreiten Völker nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung wurde nach 1918 also nicht erfüllt. Der Verrat durch den Westen führte zu einer Radikalisierung in der arabischen Welt. Der heutige Nahostkonflikt und die seit 1920 erfolgten militärischen Interventionen des Westens im Nahen Osten haben in Sanremo ihren Ursprung. 

Die Konferenz von Sanremo schuf Mandatsgebiete mit künstlichen Grenzen, aus denen später souveräne arabische Staaten ohne entsprechendes Nationalgefühl entstanden. Für zwei Völker mit einem starken Nationalgefühl und eigener Sprache, Kurden und Aramäer, unterließen die Alliierten es, eigene Gebiete zu schaffen. Daraus ergeben sich bis heute viele Konflikte. 

Nach der islamischen Revolution im Iran von 1979 hat sich der Nahe Osten grundlegend gewandelt. Nicht mehr Nationalismus oder Sozialismus nach europäischem Vorbild sind heute die bestimmenden Ideologien. Stattdessen gewinnt inzwischen ein politischer, zunehmend radikalerer Islam an Einfluss. Anstatt nationaler entstehen zusehends religiöse Identitäten, sunnitische oder schiitische. Auch dies ist indirekt ein Erbe der westeuropäischen Kolonial- und Siegermächte des Ersten Weltkriegs und deren Politik.





Kurzporträts

David Lloyd George war einer der „Großen Vier“ bei der Pariser Friedenskonferenz. Der von 1916 bis 1922 amtierende britische Premierminister war der letzte Liberale, der dieses Amt innehatte.

Alexandre Etienne Millerand war nur vom 20. Januar bis zum 24. September 1920 Frankreichs Ministerpräsident. Danach bekleidete er bis 1924 das Amt des Präsidenten der Republik.

Zur Zeit der Konferenz von Sanremo war Francesco Saverio Nitti  sowohl Präsident des Ministerrates als auch Kolonialminister des Gastgeberlandes. Aus beiden Ämtern schied er noch im selben Jahr aus.