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27.03.20 / Corona / Alleingelassen im Zentrum der Gefahr / Zahnärzte bleiben ohne Schutz – und schlagen Alarm: „Wir arbeiten, wo sich das Virus am wohlsten fühlt“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13 vom 27. März 2020

Corona
Alleingelassen im Zentrum der Gefahr
Zahnärzte bleiben ohne Schutz – und schlagen Alarm: „Wir arbeiten, wo sich das Virus am wohlsten fühlt“
Sverre Gutschmidt

Das Corona-Virus verlangt allen im Gesundheitswesen hohen Einsatz ab, Härten inklusive. Zahnärzte geraten in eine für alle gefährliche Lage: „Wir können uns gegen das Virus nicht ausreichend schützen und damit auch euch nicht! Wir machen aber weiter!“, schreibt eine Hamburger Zahnärztin auf Facebook. 

Politik und ärztliche Selbstverwaltung stellen sich taub. Während Schutzkleidung, Corona-taugliche Schutzmasken und neue Hygiene bei Ärzten in ihren Praxen sichtbar werden, arbeiten Zahnärzte in der Regel noch ohne speziellen Schutz. Klare Anweisungen von oben fehlen, wirksame Schutzmittel auch, letztlich entscheidet noch jeder Praxisinhaber, ob und wie er weiter behandelt – Mitarbeiter mitgefangen. Sind Einweghandschuhe und normaler Mundschutz vorhanden, nutzen Zahnärzte die unzureichenden Mittel. Doch oft sind selbst diese knapp und nach aktuellen Erkenntnissen kein Schutz. 

Die Hamburger Zahnärztin klagt: „Es gibt Menschen, die weitermachen und an der Quelle der unsichtbaren Gefahr arbeiten müssen! Zahnärzte. Wir arbeiten, wo sich das Virus am wohlsten fühlt. Die Mundhöhle.“ Man sei aufgefordert weiterzumachen, ohne Mindestabstand, „Arbeitsmittel wie Desinfektionsmittel, Mundschutz und andere Schutzmittel sind Mangelware, werden einfach nicht mehr geliefert“. Auch andere Zahnärzte kritisieren öffentlich den Umgang der Bundeszahnärztekammer und der Zahnärztekammern der Länder. Tenor: Sie müssten appellieren, Praxen für Notfälle offen, aber für alles nicht akut Nötige geschlossen zu halten. Zahnärzte sollten Selbstschutz und Patientenschutz üben. 

Harsche Kritik an den Kammern

Die Zahnärztekammer Hamburg habe eine „andere Meinung“, wie ihr Hauptgeschäftsführer Peter Kurz schriftlich mitteilt. So warnt die Kammer vor „katastrophalen Folgen“, an Platz eins steht die „akute Gefahr des schnellen wirtschaftlichen Ruins“. Auch bei den „Updates“, Rundschreiben der Kammer, die „sinnvolle, praktisch verwertbare und valide Hinweise“ gegen Corona bieten sollen, stehen „Wirtschaftliche Fragestellungen und Handlungsoptionen“ an Platz eins: „Wir befürchten, dass unsere Patienten zunehmend Termine absagen.“ Das Wort Patient taucht im „Update“ vom 18. März nur noch an zwei weiteren 

Stellen auf: Kollegen wird empfohlen, „Patienten vor Behandlungen mit desinfizierenden Mundspüllösungen, beispielsweise Chlorhexidinpräparaten, spülen zu lassen“. Zum Thema „Kontakt mit infizierten Patienten“ verweist die Kammer auf das Gesundheitsamt, das im Zweifelsfall Quarantäne anordne. 

Zahnärzte, die für ihre Patienten da sein wollen, fühlen sich mehrfach im Stich gelassen: von der Politik, die keine klaren Vorgaben macht – mit (arbeits-)rechtlichen Folgen –, ihren eigenen Vertretern, die die Ansteckung mit Multiplikator-Effekt ignorieren, und der Verteilungsbürokratie. Dabei stehen Zahnärzte in der Abrechnung mit den Krankenkassen gerade am Ende des Quartals vor zu erwartenden guten Einnahmen, sind im Gesundheitswesen keine Schlechtverdiener. Im letzten Schreiben der Kammern vor Redaktionsschluss in einer Sonderausgabe ihrer Zeitschrift „ZA aktuell“ heißt der „in einem direkten und konstruktiven Dialog mit dem BMG und Bundesminister Spahn“ gefallene Beschluss: „Aufrechterhaltung der zahnärztlichen Versorgung von nicht infizierten oder nicht unter Quarantäne stehenden Personen.“ Das Papier verschweigt: Ob jemand infiziert ist, kann praktisch kein Zahnarzt feststellen. Die Behandlung ohne Einschränkung geht also weiter. Klinikmitarbeiter brachten zeitgleich mit einem Plakat ihre Haltung zum Ausdruck: „Wir bleiben für Euch da und Ihr bitte zu Hause!“