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27.03.20 / Corona-Krise / Das Annus horribilis der Reisebranche / Der gesamte Tourismus kapituliert vor einem Virus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 13 vom 27. März 2020

Corona-Krise
Das Annus horribilis der Reisebranche
Der gesamte Tourismus kapituliert vor einem Virus
Harald Tews

Dieses Jahr wird für viele Menschen der Urlaub flachfallen. Die Corona-Krise führt zu Unsicherheiten in der längerfristigen Reiseplanung: Macht es Sinn, jetzt einen Urlaub im Ausland zu buchen? Werden in den Sommermonaten die Reisebeschränkungen aufgehoben sein? Gibt es in der Hauptsaison noch eine Einreisesperre im Lieblingsland, selbst wenn zu Hause wieder alles normal läuft? Zählt der Badeort im Sommer als Risikogebiet mit Ansteckungsgefahr?

Davon abgesehen werden sich viele Reisewillige einen Urlaub in diesem Jahr eventuell gar nicht leisten können, weil sie finanzielle Einbußen erlitten haben, entweder weil sie wegen Stilllegungen von Betrieben zu Kurzarbeit gezwungen waren oder durch die Schließung von Geschäften arbeitslos geworden sind. 

Sicher ist jetzt schon, dass das Jahr 2020 für die Tourismusbranche als „Annus horribilis“, als Schreckensjahr, in die Annalen eingehen wird. Der wirtschaftliche Schaden wird sich kaum beziffern lassen. Es dürften viele Milliarden Euro sein. Die Auswirkungen der Krise bekamen die Reiseveranstalter mit als Erste zu spüren: Es fing schon damit an, dass in Berlin die für Vertragsabschlüsse so wichtige Reisemesse ITB abgesagt wurde.

Als die Lage ernster wurde, kam es zu Stornierungen, Umbuchungen und Rückholaktionen von Urlaubern. Wegen Flugausfällen und geschlossener Flughäfen saßen oder sitzen noch viele Deutsche in ihren Feriendomizilen fest. Nach Schätzung des Auswärtigen Amtes sind weit mehr als 100 000 Urlauber in verschiedenen Winkeln der Erde gestrandet. Allein in Ägypten waren es 30 000 Deutsche. Sie alle waren auf eine Luftbrücke angewiesen, welche die Bundesregierung mit 30 Passagierflugzeugen eingerichtet hatte.

Nach eigenen Angaben hatte auch der Reiseveranstalter TUI Mitte März mehrere Zehntausend deutsche Gäste zurückgeflogen. Bis zu 40 Flüge starteten täglich mit Urlaubern aus Ägypten, Spanien, Madeira und den Kapverden. Mit insgesamt 350 Flügen sei das laut Marek Andryszak von der TUI-Geschäftsführung „die größte Rückholaktion in unserer Unternehmensgeschichte“ gewesen. 

Super-Gau für Kreuzfahrtbranche

Einen Super-Gau erlebten gleich von Beginn an die Kreuzfahrtunternehmen. Als auf dem US-Schiff „Diamond Princess“ ein Corona-Fall nachgewiesen wurde, war klar, dass man auch auf See vor dem Virus nicht sicher war. Zwei Wochen lang lag das Schiff mit seinen 3700 Passagieren und Crew-Mitgliedern im Hafen von Yokohama unter Quarantäne. In der Zeit hatten sich 700 Menschen angesteckt, sechs waren gestorben.

Andere Kreuzfahrtschiffe irrten auf dem Meer umher, weil ihnen viele Häfen selbst dann die Anlegeerlaubnis verweigerten, wenn sie Corona-frei waren. 

AIDA-Cruises hat inzwischen mitgeteilt, die Saison bis Anfang April komplett zu unterbrechen. Die Schiffe der Costa-Reederei, die noch unterwegs sind, sollen bis zum 3. April italienische Häfen anlaufen. Als eines der weltweit letzten Kreuzfahrtschiffe mit deutschen Gästen an Bord ist die „MSC Magnifica“ noch auf einer zweiwöchigen Reise von Australien nach Dubai unterwegs. Der Betrieb der übrigen MSC-Flotte ist bis zum 30. April ausgesetzt. Für noch nicht angetretene Kreuzfahrten bieten die Unternehmen in der Regel kostenlose Umbuchungen oder sogar Stornierungen an.

Auch in den beliebten Ferienregionen der Deutschen herrscht Katastrophenstimmung. Mallorca ist dicht, Italien sowieso tabu und in Österreich ist die Skisaison längst gelaufen. Das Osterreisegeschäft können sich Hoteliers und Gastronomen abschminken. Nachdem sich Ischgl als Infektions-Brennpunkt des Coronavirus herausstellte, steht das ganze Bundesland Tirol seit dem 18. März unter Quarantäne. Landesweit haben Skilifte den Betrieb vorzeitig beendet, Skipisten wurden geschlossen. Die Ein- und Ausreise nach und aus Tirol ist nur noch in Ausnahmefällen möglich. Die Außengrenzen zu Italien, der Schweiz und Deutschland hatte die österreichische Bundesregierung bereits zuvor geschlossen.

Den Urlaubern, die für diese Zeit eine Reise gebucht haben, diese aber nicht antreten können, bieten die Tourismusunternehmen in aller Regel aus Kulanz eine kostenfreie Stornierung oder Umbuchung an. Darauf verlassen sollte man sich aber nicht. Vor allem für Individualtouristen sind die rechtlichen Storno-Ansprüche unklar geregelt. Gruppentouristen kommen da besser weg. Gebeco-Reisen, die bereits alle Touren bis zum 31. März abgesagt hat, bietet Gästen mit Abreisen bis 30. April die Möglichkeit der kostenlosen Umbuchung. Und die TUI ködert darüber hinaus Kunden mit einem „Treue-Bonus“ von bis zu 100 Euro pro Person bei Buchung einer neuen Reise – sofern man sie im Laufe dieses Jahres überhaupt antreten kann. Da die Reisebüros gegenwärtig geschlossen sind, sind Buchungen derzeit nur via Internet oder telefonisch möglich. 

Ein Gutes hat die Reise-Krise dann doch für Orte wie Venedig, Florenz oder Rom, die sonst unter „Overtourism“, also dem Massentourismus, ächzen. Die Luft wird reiner, die Gewässer sauberer. Da auch der Schiffsverkehr eingeschränkt ist, erobert sich die Natur verlorenes Terrain zurück. So wurden im Hafenbecken der sardischen Stadt Cagliari erstmals wieder Delfine gesichtet. Geht die Wirtschaft den Bach herunter, erholt sich dafür die Natur.