19.04.2024

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03.04.20 / Corona-Krise im Nördlichen Ostpreussen / Moskauer und Königsberger fliehen an die Ostsee / Viele Russen haben den von Putin verordneten Zwangsurlaub missverstanden – schärfere Einschränkungen sind die Folge

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14 vom 03. April 2020

Corona-Krise im Nördlichen Ostpreussen
Moskauer und Königsberger fliehen an die Ostsee
Viele Russen haben den von Putin verordneten Zwangsurlaub missverstanden – schärfere Einschränkungen sind die Folge
Jurij Tschernyschew

Bislang wurden in Russland offiziell vergleichsweise wenige Corona-Erkrankte registriert, jedoch steigt ihre Zahl ständig.

Das Königsberger Gebiet zählt neben Moskau und St. Petersburg zu den drei Regionen der Russischen Föderation, in die in den vergangenen Monaten viele russische Urlauber aus dem europäischen Ausland zurückgekehrt sind. Laut Informationen von Gouverneur Anton Alichanow waren zirka 55 000 Bewohner des nördlichen Ostpreußens in den vergangenen zwei Wochen ins Ausland gereist. 

Polen hatte bereits am 8. März verschärfte Gesundheitskontrollen an der innerostpreußischen Grenze eingeführt und bei allen Reisenden die Temperatur gemessen, woraufhin sich sich lange Staus bildeten. Viele Russen versuchten deshalb, über Litauen einzureisen, um nicht den ganzen Tag an der Grenze zur Republik Polen zu verbringen. Zu diesem Zeitpunkt gab es an der Grenze zur Republik Litauen noch keine strengen Kontrollen. Kurze Zeit später schloss Polen seine Grenze komplett. Litauen tat das Gleiche erst Tage danach. Deshalb nutzten die Bewohner des Königsberger Gebiets diese Möglichkeit, nach Hause zu kommen. Danach blieb nur noch, per Flugzeug von Moskau aus nach Königsberg zu gelangen. Doch auch diese Variante steht jetzt kaum noch offen, da die Flugverbindungen so gut wie eingestellt sind.

Nach den Grenzschließungen bekommt das Königsberger Gebiet seine  besondere Lage als Exklave zu spüren, da die Versorgung des Gebiets über den Landweg durch benachbarte Staaten führt. Obwohl die Grenzen für Lkws weiterhin offen sind, ist der Verkehr aufgrund der verstärkten Gesundheitskontrollen an den Grenzen eingeschränkt, was sich jeden Moment negativ auf die Lebensmittelversorgungssicherheit der Region auswirken kann.

Unmittelbar nach dem Ausbruch der Epidemie in Europa Mitte März hatte Alichanow allen Beamten, Abgordneten und deren Angestellten sowie Mitarbeitern der örtlichen Verwaltungen Reisen ins Ausland untersagt. In Schulen und Hochschuleinrichtungen wurde Fernunterricht eingeführt und Massenveranstaltungen wurden abgesagt. Am 17. März wurde in der Region ein Hochsicherheitsmodus eingeführt. 

Als Wladimir Putin für das ganze Land ab dem 30. März bis zum 5. April eine arbeitsfreie Woche anordnete, haben die Regionalregierungen sofort alle Läden, Einkaufszentren und Servicebereiche schließen lassen. Die Dienstleistungen verschiedener kommunaler und staatlicher Einrichtungen für die Bevölkerung wurden auf ein Minimum reduziert und es ist verboten, sich in Gruppen zu versammeln. Lediglich Lebensmittelgeschäfte und Apotheken dürfen öffnen. Die Schließung fast aller Einrichtungen mit gleichzeitigem Zwangsurlaub führte dazu, dass es in der Stadt nichts zu tun gibt. Einfach zu Hause sitzen wollten viele nicht. 

Da das Wetter am vergangenen Wochenende warm und sonnig war, zogen die Städter in Scharen an die Ostsee. Sie nutzten alle nur zur Verfügung stehenden  Verkehrsmittel. Auf der Landstraße bildeten sich lange Staus, und auf den Promenaden von Cranz und Rauschen gab es ein regelrechtes Durcheinander. Von Distanz und eingeschränkten Kontakten zwischen Menschen konnte keineswegs die Rede sein.

Die Situation wurde noch durch die Vielzahl der Gäste aus Moskau verschärft, die Wohnungen und Häuser an der Ostsee besitzen. Statt zu Hause zu bleiben, sind sie massenweise an die Ostsee gefahren, um die freie Woche zu genießen. Im Glauben, an der frischen Seeluft der Coronovirus-Epidemie entfliehen zu können, drohen sie nun die Bevölkerung im nördlichen Ostpreußen massiv zu infizieren. Die Regionalbehörden haben daher fast alle Busse, die von Königsberg zum Meer fahren, sowie die Vorortzüge stillgelegt. Die Russischen Eisenbahnen verkaufen künftig nur noch Fahrkarten von Moskau nach Königsberg an diejenigen, die eine Aufenthaltsgenehmigung besitzen. Zudem hat Litauen eine Begrenzung der Zugpassagiere von Moskau nach Königsberg über sein Territorium gefordert. Es dürfen sich nicht mehr als 100 Personen in einem Zug befinden.

Darüber hinaus haben einige Städte im Königsberger Gebiet von sich aus schärfere Kontrollen eingeführt. Palmnicken beispielsweise hat Straßenpatrouillen eingeführt und kontrolliert die Zufahrt zur Stadt. Wer zur Erholung ans Meer fahren möchte, wird zurückgeschickt. 

Da auch Hotels und Erholungsheime geschlossen sind, wurden deren Gäste nach Hause geschickt. Nach offiziellen Angaben werden derzeit etwa 100 Patienten im regionalen Krankenhaus für Infektionskrankheiten des Königsberger Gebiets behandelt.  Etwa 2000 befinden sich in der Selbstisolierung in ihren Wohnungen. Täglich werden etwa 400 Tests auf das Virus durchgeführt.