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03.04.20 / E-Learning / Unterricht frei Haus / Lernen in Zeiten der Corona-Krise – Schüler und Studenten versuchen mit digitalen Mitteln den Lernausfall zu kompensieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14 vom 03. April 2020

E-Learning
Unterricht frei Haus
Lernen in Zeiten der Corona-Krise – Schüler und Studenten versuchen mit digitalen Mitteln den Lernausfall zu kompensieren
Nils Aschenbeck

Schulen und Universitäten waren und sind auf die aktuelle Krise nicht vorbereitet. Millionen Schüler sitzen seit zehn Tagen zu Hause und warten auf digitale Bildungsangebote. Und knapp drei Millionen Studenten werden nach der Osterpause vermutlich ebenfalls einige Wochen zu Hause verbringen und den Online-Unterricht, die sogenannten E-Learning-Angebote, der Universitäten und der Professoren konsumieren. 

Doch nur wenige Lehrer können sinnvolle Angebote liefern. Viele werden Folien von Präsentationsprogrammen ins Internet stellen, einige wenige werden selbstproduzierte Filme bieten. Ein ausreichender Ersatz für Präsenzveranstaltungen wird keines der Formate sein, es sind Krücken der Wissensvermittlung.

Dass die Studenten live einer Lehrveranstaltung übers Internet beiwohnen, wäre zwar technisch umsetzbar, aber dafür fehlen in den Fachbereichen und bei den Dozenten Erfahrung und Kompetenz. Selbst Telefonkonferenzen unter Professoren erweisen sich manchmal als schwierig. Es zeigt sich, dass an den Schulen genauso wie an den Hochschulen und den Universitäten die immer wieder geforderte Digitalisierung verschlafen wurde. 

Der technische Rückstand ist nicht zuletzt in der Abneigung vieler Professoren gegen neue Medien begründet. Portale wie YouTube gelten als unwissenschaftlich, und den wenigen Professoren, die sich dort tummeln, wird von den Kollegen gerne Populismus vorgeworfen. Der Universitätsbetrieb ist, zumindest in den Geisteswissenschaften, noch immer erstaunlich altmodisch.

Der Geist der Digitalisierung

Die Corona-Krise – diese Prognose kann man jetzt schon geben – wird die Digitalisierung deutscher Bildungseinrichtungen gewaltig voranbringen und die Fakultäten modernisieren. In wenigen Monaten werden die akademischen Lehrpersonen wissen, wie Inhalte digital zu vermitteln sind – ob sie es wollen oder nicht. Inzwischen wird sogar diskutiert, ob Prüfungen nicht sogar via dem Internet-Videodienst Skype abgehalten werden können. Der Kandidat müsste dann seinen Ausweis in die Kamera halten und auch dokumentieren, dass er allein im Raum ist. 

Wenn sich die Online-Lehre und die Online-Prüfung in den nächsten Wochen bewähren, dann wird es kaum mehr möglich sein, diese Methoden wieder vergessen zu machen. Wie alle Fortschritte der Digitalisierung wrden die Einfachheit und die Schnelligkeit ihrer Anwendung dazu führen, dass die analogen Varianten ins Hintertreffen geraten. Wieso soll man noch eine Prüfung vor Ort durchführen, wenn dafür ein Raum zu reservieren ist, wenn dafür die Prüfer womöglich anreisen müssen und wenn dadurch alles so unflexibel geworden ist, dass Terminverschiebungen kaum möglich sind. 

Der Geist der Digitalisierung, der jetzt, bedingt und massiv beschleunigt durch die Corona-Krise, aus der Flasche gelassen ist, der wird nicht wieder einzufangen sein. 

Das mag man begrüßen – als dringend notwendige Modernisierung des deutschen Bildungssystems. Die Digitalisierung verspricht einen niederschwelligen Zugang zu Informationen. Sie vereinfacht den Austausch mit Kollegen und fördert darüber hinaus noch die Internationalisierung. Die digitale Verfügbarkeit von Wissen beschränkt zudem die Macht von Institutionen.

Bald Uni-Seminare ohne Studenten?

Dass der Geist der Digitalisierung aus der Flasche gelassen wurde, kann man aber auch mit Sorge betrachten. Schon heute scheint die digitale Affinität der Studenten eher ein Hindernis der Wissensvermittlung denn ein Segen zu sein. Es ist üblich geworden, dass Studenten ihre Semesterarbeiten nur auf der Basis einer meist flüchtigen Internet-Recherche schreiben. Ein großer Teil der Studenten kennt die jeweilige Bibliothek nicht von innen. Das mühsame Lesen von Büchern, das oftmals mühsame Zusammentragen und Vergleichen von gedruckten Informationen – es langweilt die heutige Studentengeneration nur. 

Wenn den Studenten – wie jetzt in der gegenwärtigen Pandemie-Krise – über Wochen oder Monate gezeigt wird, dass man auch zu Hause den Vorlesungen folgen und auch vom Wohnzimmer aus bei den Seminaren teilnehmen kann, dann wird das Lehrpersonal im nächsten regulären Semester ohne Corona-Epidemie vermutlich fast allein in den Hörsälen stehen. Die vom Segen der Digitalisierung überzeugten Studenten werden der Meinung sein, dass Bildung nicht durch die Diskussion mit Kommilitonen und Lehrenden erreicht wird, sondern dass unter Bildung allein das Aufsaugen digitaler Inhalte zu verstehen ist. 

Diese Tendenzen waren schon vor der Corona-Krise zu beobachten, sie werden jetzt aber massiv verstärkt werden. Man muss befürchten, dass die aus der Not geborene Digitalisierung der Bildung und der Wissensvermittlung einen Bärendienst erweist.

Der Autor unterrichtet an der Universität Vechta im Fach Designpädagogik