18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
10.04.20 / Virtuelles Museum / Die Kunst in der Quarantäne / In Corona-Zeiten haben die Museen „geöffnet“ – Vom Internet aus kann man Ausstellungen besuchen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15 vom 10. April 2020

Virtuelles Museum
Die Kunst in der Quarantäne
In Corona-Zeiten haben die Museen „geöffnet“ – Vom Internet aus kann man Ausstellungen besuchen
Veit-Mario Thiede/tws

Mit der Losung „Quadrat statt Quarantäne“ macht das Ingolstädter Museum für Konkrete Kunst auf sich aufmerksam. In Haltern sind die „Römer allein zu Haus“, in Herne heißt es „Pest auf Sendung“, und die Klassik Stiftung Weimar betont, „geschlossen, aber offen“ zu sein. Dass die zur Eindämmung der Pandemie geschlossenen Museen dank Internet trotzdem rund um die Uhr geöffnet sind, ist nichts Neues. Aber angesichts Corona sind die ersten von ihnen dazu übergegangen, die altbewährten digitalen Angebote um interessante neue Programme zu bereichern.

Mit zehn Kunst-Tipps für die Quarantäne wartet das Frankfurter Städel Museum auf. Dazu gehört viel Altbekanntes, wie etwa die mit etwa 30 000 Kunstwerken aus sieben Jahrhunderten bestückte Digitale Sammlung. Neu hingegen ist die Wiederbelebung der Mitmach-Aktion „KunstKochen“. Die Quarantäne-Version begleitet der Aufruf: „Lasst euch von unserer Digitalen Sammlung zu Rezeptideen inspirieren.“ Besonders geeignet sind da natürlich die appetitanregenden Stillleben der Alten Meister und die gewagten Farbmenüs der Expressionisten ( https://blog.staedelmuseum.de/10-kunst -tipps-fuer-die-quarantaene).

Mit einem originellen Einfall hält Ingolstadts Museum für Konkrete Kunst das Publikum bei der Stange. Es nennt ihn „telefonische Kunstseelsorge“. Jeden Montag wartet eine der Angestellten des Museums auf Anrufer, die über ein Kunstwerk der Sammlung plaudern wollen. 

Um welches es sich handeln soll, erfährt man auf der Homepage. Direktorin Simone Schimpf erklärt; „Die Werke, die wir vorstellen, geben Impulse für die eigene Lebenssituation.“ Ihr Lieblingswerk ist Timm Ulrichs „Mikado“. Es ist mit Holzstäben von 3,60 Metern Länge so riesig, dass es nur gedanklich gespielt werden kann. Schimpf erklärt: „Für mich ist es ein gelungenes Sinnbild von Gesellschaft/Gemeinschaft. Jedes einzelne Teil trägt zur Stabilisierung bei und hat in dem vermeintlichen Chaos seinen Platz“ (www.mkk-ingolstadt.de/besuchen/callforart). 

Der Putzmann läuft durchs Bild

Schnell und improvisationsfreudig haben die Museen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe begonnen, Corona zu trotzen. Das LWL-Römermuseum in Haltern bietet mit „Römer allein zu Haus“ virtuelle Führungen durch die Ausstellungsräume an. Die Videos über das Leben der Römer vor gut 2000 Jahren sind informativ und humorvoll. Da tritt zum Beispiel die Schankwirtin Cynthia auf, die wegen der Corona-Pandemie ihre Taverne dichtmachen musste. Während Cyn­thia im langen grünen Gewand vor den Ausstellungsvitrinen die Römerin spielt, werden die musealen Alltagspflichten auch ohne reale Besucher aufrechterhalten: Ein Putzmann läuft im Hintergrund mit dem Besen am Boden durchs Bild.

In Hernes LWL-Museum für Archäologie musste die Sonderausstellung „Pest!“ geschlossen werden. Doch nun heißt es „Pest auf Sendung“. Kurator Stefan Leenen erzählt in seiner dreiteiligen digitalen Führung von den medizinischen und kulturhistorischen Aspekten der Pest. Obendrein gibt es digitale Führungen, die etwa über Pest und Psychologie oder herausragende Exponate informieren. Zum digitalen Publikumsrenner könnte das Video mit dem sympathischen Auftritt der Kunsthistorikerin werden, die uns das 1578 gemalte Ölbild „Die Pest in der St.-Jakobs-Pfarre in Leiden“ erklärt. Sie steht vor dem wegen zu greller Ausleuchtung spiegelnden Großformat wie vor einer Wetterkarte, weist nach links und rechts, deutet nach oben und unten, um die dortigen Szenen zu kommentieren. Man sieht, dass da nicht um technische Perfektion gerungen, sondern in der musealen Notlage beherzt gehandelt wird (www.lwl-kultur.de/de/kultur-digital).

Der in Weimar gestorbene Friedrich Nietzsche hat in letzter Zeit reichlich Pech gehabt. Statt seiner anlässlich des 175. Geburtstages zu gedenken, feierte Weimar letztes Jahr das 100. Gründungsjubiläum des Bauhauses. Für Wiedergutmachung wollte die Klassik Stiftung Weimar mit der für Ende März geplanten Wiedereröffnung des Nietzsche-Archivs sorgen, das eine neue Dauerausstellung bekommen hat. Das sollte der Start des Veranstaltungsreigens „Nietzsche Superstar“ werden. Jetzt hat man umdisponiert und den Parcours digital gestartet (www.klassik-stiftung.de/ihr-besuch/ausstellungen/nietzsche-superstar-digital). 

Viele weitere Museen bieten ähnliche digitale Museumsrundgänge an. Mit einem Klick auf die Internetseite des Potsdamer Museums Barberini gelangt man zum Beispiel auf die derzeit geschlossene teure Monet-Ausstellung (www.prolog.museum-barberini.com/monet). Deuten sich da Museumsbesuche der Zukunft von zu Hause an?