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10.04.20 / Krankheit / Die Gebrechen der Mächtigen / Der Arzt und Historiker Ronald D. Gerste schildert, welchen Einfluss eine angeschlagene Gesundheit auf das Handeln von Regenten in der Geschichte hatte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15 vom 10. April 2020

Krankheit
Die Gebrechen der Mächtigen
Der Arzt und Historiker Ronald D. Gerste schildert, welchen Einfluss eine angeschlagene Gesundheit auf das Handeln von Regenten in der Geschichte hatte
Wolfang Kaufmann

Viele große Persönlichkeiten der Vergangenheit waren nicht gesund – und oft wurden sie gerade in historisch besonders schicksalhaften Momenten von ihren Leiden behindert. Interessante Fakten hierzu liefert das Buch „Wie Krankheiten Geschichte machen“ von Ronald D. Gerste. Der Arzt und Historiker beleuchtet darin 20 konkrete Fälle von Alexander dem Großen bis hin zu den drei sowjetischen Gerontokraten Leonid Breschnew, Jurij Andropow und Konstantin Tschernenko.

Dabei zeigt sich immer wieder, wie stark die Krankheiten der Monarchen und Staatsmänner den Lauf der Geschichte beeinflusst haben. Welchen Anblick böte die politische Weltkarte wohl heute, wenn Alexander der Große nicht schon mit Anfang 30 gestorben wäre und seine Eroberungszüge noch Jahrzehnte fortgesetzt hätte? Was wäre aus dem deutschen Kaiserreich nach 1888 geworden, wenn Friedrich III. keinen Kehlkopfkrebs gehabt hätte, dem er nach nur 99 Tagen auf dem Thron erlag? Und wie wären wohl die 1930/40er Jahre verlaufen, wenn Adolf Hitler nicht aus einer Mischung aus Hypochondrie und echten Krankheitssymptomen geglaubt hätte, er müsse seine politischen Ziele so schnell als möglich erreichen, weil er früh sterben werde?

Gerste weist zudem nach, dass die USA mindestens drei Mal in ihrer Existenz von schwer kranken und damit nur eingeschränkt handlungsfähigen Präsidenten regiert wurden: Woodrow Wilson, der 1924 starb, konnte seine Amtsgeschäfte aufgrund eines Schlaganfalls schon seit Ende 1919 kaum mehr wahrnehmen. Franklin D. Roosevelt litt bereits vor seiner ersten Amtszeit an Kinderlähmung und galt spätestens ab 1944 als körperliches Wrack. Und auch der scheinbar so jugendlich-vitale John F. Kennedy hatte diverse Gebrechen, darunter eine schwere Nebenniereninsuffizienz (Morbus Addison) und Osteoporose. Wegen der Letzteren trug der Präsident übrigens auch ein Stützkorsett, welches ihn am 22. November 1963 daran hinderte, sich nach dem ersten Treffer beim Attentat von Dallas wegzuducken.

Ähnlich gelagert war der Fall des Bolschewistenführers Wladimir Iljitsch Lenin, der bis zu seinem Tode am 21. Januar 1924 an der Spitze der von ihm geschaffenen Sowjetunion stand, obwohl er zwischen Mai 1922 und März 1923 neun Schlaganfälle erlitten und dadurch all seine kognitiven Fähigkeiten eingebüßt hatte.

Jede einzelne Krankheitsgeschichte kommt spannend und informativ daher, was auch für die dazwischengeschalteten Exkurse über die Pest, die Syphilis, die Pocken, die Grippe, die Tuberkulose und Aids gilt. 

Ronald D. Gerste: „Wie Krankheiten Geschichte machen“, Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2019, gebunden, 381 Seiten, 20 Euro