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10.04.20 / Für Sie Gelesen / Schnöder Verräter oder naiver Patriot?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15 vom 10. April 2020

Für Sie Gelesen
Schnöder Verräter oder naiver Patriot?
Friedrich-Wilhelm Schlomann.

Für Bonn war es eine Katastrophe, als am 22. Juli 1954 die Ost-Berliner Sender den Übertritt des westdeutschen Verfassungsschutzpräsidenten Otto John in die DDR „aus politischen Erwägungen“ meldeten. Er war einer der Beteiligten am Hitler-Attentat vom Juli 1944, der noch lebte. 

In Ost-Berlin wollte John mit Politikern über die deutsche Einheit sprechen. Die Frage, ob der KGB ihn in den Osten gelockt hatte, konnte nie völlig geklärt werden. Da er keinerlei Unterlagen mitgenommen hatte, wurde der anfängliche Verdacht auf Verrat schnell widerlegt. Tatsächlich hatte John Kontakt zu KGB-Spitzen in Moskau, die ihn ab 1939 im Visier hatten, anfangs für einen britischen Agenten hielten und ihn dann als Spion anwerben wollten, was John ablehnte. 

Als die Deutschlandpolitik des Kremls erfolglos blieb, die Bundesrepublik 1955 der NATO beitrat und die UdSSR primär die DDR aufbauen wollte, hatte man an John kein Interesse mehr. Von der Stasi unbemerkt, kehrte John nach 17 Monaten in den Westen zurück. „Womöglich war John zum zweiten Mal in anderthalb Jahren unter falschem Vorwand über die Grenze des Kalten Krieges gelockt worden“, schreiben die anerkannten Geschichtsprofessoren Benjamin Carter Hett und Michael Wala in ihrer „Otto  John“-Biografie. 

Im Dienste der deutschen Einheit

John wurde des Verrats angeklagt, und obwohl Oberbundesanwalt Max Güde bei der Anklageschrift „nicht viel Beweiskräftiges“ fand, waren die Richter entschlossen, den Angeklagten zu einer langjährigen Strafe zu verurteilen. Für sie, die fast alle NSDAP-Mitglieder gewesen waren, „bildete das Vorbild der Widerstandskämpfer einen ständigen moralischen Vorwurf und eine Bürde“. Die Autoren lassen in ihrem  Buch die Voreingenommenheit der Richter deutlich erkennen. 

Der Vorwurf, John sei aus freien Stücken nach Ost-Berlin gegangen, war nicht stichhaltig: Gleiches hatten der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann sowie der Bundestagspräsident Hermann Ehlers auch getan und ebenfalls dort die deutsche Einheit beschworen. Die Aussagen des Verfassungsschutzpräsidenten in Moskau erfolgten zweifellos unter Druck. Der Verdacht, er habe Verbindungen zum britischen Nachrichtendienst, blieb erwartungsgemäß vage. Dennoch wurde John zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach Meinung der Verfasser hätte er ei-gentlich „freigesprochen werden müssen“. In seinen Anträgen zur Wiederaufnahme des Verfahrens behauptete John, die Sowjets hätten den Bundesrichter Heinrich Jagusch mit dessen NS-Vergangenheit erpresst, damit er den Schuldspruch gegen John unterstütze, was das Gericht ohne Prüfung als „unzulässig“ abwies. 

Zwar  wurde John 1958 begnadigt, und man gewährte ihm eine kleine Gnadenrente, aber rehabilitiert wurde er bis  zu seinem Tode am 26. März 1997 nicht. 

Benjamin Carter Hett/Michael Wala: „Otto John“, Ro-wohlt-Verlag, Hamburg 2019, gebunden, 411 Seiten, 25 Euro