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17.04.20 / Verschwöungstheorien / Was man lieber nicht wiederholen sollte / Teils bewusst, teils unbewusst wurden Unschuldige zu Sündenböcken gemacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16 vom 17. April 2020

Verschwöungstheorien
Was man lieber nicht wiederholen sollte
Teils bewusst, teils unbewusst wurden Unschuldige zu Sündenböcken gemacht

Bevor die Wissenschaft entdeckte, dass Infektionskrankheiten aus der Übertragung von Bakterien und Viren resultieren, kursierten allerlei abenteuerliche Theorien über die Entstehung von Seuchen und die Möglichkeiten zu ihrer Verhinderung oder Eindämmung.

Judenpogrome in Europa

So galt während der Cyprianischen Pest von 250 bis 271 Blickkontakt als mögliche Ansteckungsursache. Und zur Zeit des „Schwarzen Todes“ hieß es, die Krankheit werde durch die Schönheit junger Mädchen angezogen. Die von den europäischen Herrschern des Mittelalters konsultierten „Experten“ wiederum meinten, die Pest gehe auf eine ungünstige Konstellation der Planeten Mars, Jupiter und Saturn zurück.

Während der Großen Pest von London 1665/66 wurde das Rauchen von Tabak als effektives Gegenmittel gepriesen, was auch für Kinder galt. Als 1910 in der Mandschurei die erste schwere Pest-Epidemie seit dem Mittelalter auftrat, hielt man die Verwendung von ausländischen Geldscheinen und Münzen sowie minderwertigen Opiums für die Wurzel des Übels.

Hetze gegen Deutsche in den USA

Der unsinnige Aberglaube zeitigte nicht selten gravierende soziale Auswirkungen. Erinnert sei beispielsweise an die Judenpogrome in weiten Teilen Europas als Folge des Gerüchtes, die Juden hätten die Pest-Pandemien durch Giftmischerei und die gezielte Verseuchung von Brunnen ausgelöst. Vergleichbar hysterisch ging es in den USA während der Spanischen Grippe zu: Nun kursierten Lügen über von Deutschen infizierte Konserven. Und der Chef der Gesundheitsabteilung der kriegswichtigen Emergency Fleet Corporation, Oberstleutnant Philip Doane, verkündete am 17. September 1918: „Für deutsche Agenten wäre es ganz einfach, den Krankheitserreger in einem Theater oder einem anderen Ort, wo viele Menschen versammelt sind, freizusetzen. Die Deutschen haben Epidemien in Europa gestartet. Es gibt keinen Grund, warum sie mit Amerika behutsamer umgehen sollten.“

Entsprechende Tendenzen zu politisch motivierten Schuldzuweisungen zeigen sich nun auch während der gegenwärtigen Corona-Pandemie. Mal sollen beispielsweise Personen aus Deutschland das Virus nach Norditalien gebracht haben, mal US-Militärs nach China. In Lateinamerika gelten westliche Touristen derzeit als die Krankheitsüberbringer schlechthin und werden zunehmend angefeindet. Insofern könnte die Evakuierung deutscher Reisender, zu der das Auswärtige Amt aber oft nicht in der Lage ist, genauso Leben retten wie die Schutzmaßnahmen hierzulande.W.K.