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24.04.20 / Kriminalmuseum / Von der Eisernen Jungfrau gefoltert / Bald wieder geöffnet: Europas größtes Museum zur Kriminalgeschichte zeigt dann Tiere als Rechtsbrecher

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17 vom 24. April 2020

Kriminalmuseum
Von der Eisernen Jungfrau gefoltert
Bald wieder geöffnet: Europas größtes Museum zur Kriminalgeschichte zeigt dann Tiere als Rechtsbrecher
Helga Schnehagen

In Rothenburg ob der Tauber hofft das Mittelalterliche Kriminalmuseum das Coronavirus spätestens bis zum 3. Mai dingfest gemacht zu haben. Danach will es wieder Besucher in den Museumshof lassen, in dem der Blick auf den Bäckerkorb – oder auch Schandkorb – fällt, in den Bäcker kamen und ins Wasser getaucht wurden, die zu kleine Brötchen buken. An der Kasse empfängt einen dann die Eiserne Jungfrau. Der Hohlkörper in Form einer Frau in langem Mantel ist innen mit metallenen Dornen bestückt. Handelt es sich hier um ein Folterinstrument samt Hinrichtungsmaschine?  

Der Jurist und Direktor des Museums, Markus Hirte, erklärt, dass der Mantel auf das 15./16. Jahrhundert zu datieren sei und die Dornen erst nachträglich angebrachte französische Tüllenbajonette aus den Befreiungskriegen (1813–1815) seien. Rothenburgs Eiserne Jungfrau ist also nur Vollzugsgerät für Ehrenstrafen, ein sogenannter Schandmantel, der später zum schauderhaften Schaustück mutierte.

Spektakulär und grausam sind die Folter- und Strafvollzugsgeräte wie Daumenschraube, Streckbank mit Stachelwalze, Stachelstuhl oder Richtrad. Sie alle sind auf der Homepage des Museums während der Pandemiezeit als virtuelle Reise zu „Folter, Rad und Pranger“ zu sehen 

(www.kriminalmuseum.eu). Bewusst lächerlich wirken die eisernen Schandmasken, Halsgeigen und ähnliche Instrumente für Ehrenstrafen aller Art.

50 000 Exponate besitzt Europas größtes Kriminalmuseum, das in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert. Gut 2000 Exponate sind in der Präsenzausstellung zu sehen. Zusammen mit dem enormen Literaturbestand deckt das Museum über 1000 Jahre deutscher und europäischer Rechtsgeschichte ab. Ob Reichsverfassung oder Reichsdeputationshauptschluss, kaum ein Dokument des deutschen Rechtswesens seit germanisch-fränkischer Zeit, das hier nicht zu finden wäre.

Bei diesem Bestand kann man aus dem Vollen schöpfen. Denn Rothenburg verfügt auch über Europas größte Sammlung an Exponaten über Hexen. Diese speist eine zweisprachige Sonderausstellung auf Deutsch und Englisch zur Geschichte des Hexenglaubens und des Hexereidelikts – von den Anfängen bis zum Ende der Hexenverfolgungen –, die von 2016 bis 2019 von rund 500 000 Gästen aus über 110 verschiedenen Nationen besucht wurde. Wegen des großen Erfolgs hat sie als virtueller Rundgang Eingang in die ständige Ausstellung gefunden. Damit kann man weiter Amulette wie Madergebiss, Eberzahn, Korallenhörnchen oder Maulwurfspfote bestaunen, den wispernden Rache-, Schadens- und Liebeszaubern lauschen oder einen Blick in den unheilvollen Hexenhammer werfen und dazu Luthers „Hexenglauben“ studieren. 

Die Schau spannt einen chronologischen Bogen von den mesopotamischen Hochkulturen des 2. Jahrtausends v. Chr. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts – gut 4000 Jahre Hexengeschichte. Um sich in die Gesetzbücher, Urkunden und Schriften, über 50 Texttafeln und Multimedia-Stationen zu vertiefen, sollte man, sobald das Museum wieder geöffnet ist, genügend Zeit mitbringen. Wenn alles gut läuft und man das Virus zur Strecke gebracht hat, soll hier vom 3. Mai an die neue Sonderausstellung „Hund und Katz, Wolf und Spatz – Tiere in der Rechtsgeschichte“ zu sehen sein.

b Mittelalterliches Kriminalmuseum, Burggasse 3–5, 91541 Rothenburg ob der Tauber, nach Ende der zwangsweisen Schließung geöffnet von 10 bis 18 Uhr