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24.04.20 / Jeanne Mammen / Delikatesse aus Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17 vom 24. April 2020

Jeanne Mammen
Delikatesse aus Berlin

Das Werk von Jeanne Mammen (1890–1976) ist schon öfter präsentiert worden. So 2017/18 mit einer großen Retrospektive in der Berlinischen Galerie und in der Ausstellung „Glanz und Elend in der Weimarer Republik“ in Frankfurts Schirn. Dennoch bleibt die in Berlin geborene, in Paris aufgewachsene und nach ihrem Studium in Brüssel nach Berlin zurückgekehrte Malerin eine Randfigur unter ihren zeitgenössischen Kollegen. 

Für das Kunsthaus Stade ist das ein guter Grund, die durch die Pandemie unterbrochene Ausstellung bis zum 30. August zu verlängern. Nachdem das Land Niedersachsen beschlossen hat, alle Ausstellungshäuser bis einschließlich 6. Mai geschlossen zu lassen, könnte die Mammen-Schau schon am 7. Mai wieder zu besichtigen sein. 

Aus konservatorischen Gründen erscheinen viele von Mammens virtuosen Vorkriegs-Zeichnungen nur als virtuelle Reproduktion. Dieses ist eine notwendige Ergänzung, um die Künstlerin in ihrer Glanzzeit als scharfsinnige Beobachterin von Licht- und Schattengestalten kennenzulernen. In den 1920er Jahren war sie als Grafikerin und Illustratorin so gefragt, dass Kurt Tucholsky ihre Zeichnungen in der „Weltbühne“ als „so ziemlich einzige Delikatesse in dem Delikatessenladen, den uns Ihre Brotherren wöchentlich oder monatlich aufsperren“, pries.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten endete Mammens Karriere schlagartig. Sie überlebte zurückgezogen und arbeitete im Verborgenen. Schon in ihrem Frühwerk hatte sie sich dem Symbolismus zugewandt. Jetzt entdeckte sie auch den Kubismus, dann die Abstraktion, probierte weitere Stile und Techniken. Zum alten Ruhm fand sie aber nicht zurück. 

Mit Werken aus 60 Jahren Schaffenszeit dokumentiert Stade Mammens Vielschichtigkeit. Die Ausstellung schließt mit ihrem letzten Bild „Verheißung eines Winters“. Als eine Art Vermächtnis erscheinen darauf ganz persönliche Symbole auf weißem Grund. Das Bild ist mit „6. Oktober 1975“ signiert. Sechs Monate später starb Mammen. Auf dem Friedhof in Berlin-Friedenau ist sie begraben. Ihr Wohnatelier ist bis heute unverändert museal erhalten.H. Sch.

Kunsthaus, Wasser West 7, 21682 Stade, möglicherweise ab 7. Mai wieder geöffnet, www.museen-stade.de. Atelier Jeanne Mammen, Kurfürstendamm 29, 10719 Berlin, Führungen sind für den 22. Mai und 19. Juni geplant. Anmeldung: weinland@stadtmuseum.de