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24.04.20 / Benito Mussolini / Machtpolitiker ohne ideologische Tiefe / Vom Ausland bewundert, militärisch schwach und am Ende im Fahrwasser Adolf Hitlers. Vor 75 Jahren wurde der italienische Diktator von Partisanen getötet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17 vom 24. April 2020

Benito Mussolini
Machtpolitiker ohne ideologische Tiefe
Vom Ausland bewundert, militärisch schwach und am Ende im Fahrwasser Adolf Hitlers. Vor 75 Jahren wurde der italienische Diktator von Partisanen getötet
Erik Lommatzsch

Übrigens stirbt jeder den Tod, der seinem Charakter entspricht.“ Diese Worte stammen aus einem 1932 erschienenen Interview mit Benito Mussolini. Der ein Jahrzehnt zuvor formell zum Ministerpräsidenten ernannte „Duce del Fascismo“ beherrschte über zwei Jahrzehnte Italien. Nach seinem Sturz durch die eigenen Gefolgsleute im Juli 1943 stand er noch knapp zwei Jahre an der Spitze der von Deutschland abhängigen Repubblica Sociale Italiana (RSI, Italienische Sozialrepublik) im Norden Italiens. 

Die Vorstellungen des einst mächtigen Diktators bezüglich seines absehbaren Endes schwankten zwischen der Absicht, Mailand – seinen letzten Regierungssitz – in ein „zweites Stalingrad“ zu verwandeln oder sich mit den verbliebenen Getreuen zur „letzten verzweifelten Abwehr“ im Veltlin aufzustellen. Gemeinsam würden sie dort „mit der Sonne im Gesicht sterben, den Blick auf die Gipfel der Berge gerichtet, letztes Lächeln des Vaterlandes“. 

Bruch mit den Sozialisten 1914

In der Realität stellte sich das Ende Mussolinis dann alles andere als heroisch dar. Auf der Flucht in die Schweiz wurde er von Partisanen aufgegriffen. Ohne Gerichtsverhandlung erschoss man ihn gemeinsam mit seiner Geliebten Claretta Petacci am 28. April 1945. Anschließend wurden die Leichen nach Mailand gebracht und öffentlich zur Schau gestellt. An den Füßen aufgehängt, wurden sie geschlagen, bespuckt und mit Steinen beworfen.

Es sei dahingestellt, ob dieser unrühmliche Schlussstein von Mussolinis Biografie seinem Charakter entspricht. Einig ist sich eine Reihe von Historikern darin, dass er als Opportunist zu bezeichnen ist und sein Handeln kaum längerfristigen Konzepten folgte. In Abrede gestellt wird demzufolge auch, dass dem faschistischen Staat Mussolinis eine geschlossene Ideologie oder Weltanschauung zugrunde gelegen habe.

Als Sohn eines Schmiedes und Lokalpolitikers sowie einer Volksschullehrerin wurde Mussolini am 29. Juli 1883 in Dovia, einem Vorort von Predappio in der Emilia Romagna, geboren. Er wurde selbst Lehrer. Starken Einfluss übten die Philosophen Friedrich Nietzsche und Georges Sorel sowie der Soziologe Vilfredo Pareto auf ihn aus. Bereits 1900 war Mussolini Mitglied des Partito Socialista Italiana (PSI) geworden. 

Er arbeitete als Journalist und übernahm 1912 den „Avanti!“, die Zeitung des PSI, deren Auflage er verfünffachen konnte. Die Wende erfolgte 1914. Mussolini trat damals, im Gegensatz zum PSI, vehement für einen Kriegseintritt Italiens an der Seite der Entente ein. Aus den Reihen der Sozialisten ausgeschlossen, führte er nun die Zeitung „Il Popolo d’Italia“, die national, sozialrevolutionär und annexionistisch ausgerichtet war. 

Die untrennbar mit der Person Mussolinis verbundene Epoche des italienischen Faschismus, die nach dem Ersten Weltkrieg begann, lässt sich in fünf Phasen gliedern. Die erste Phase umfasste die Jahre 1919 bis 1922. In dieser Zeit erfolgte die Gründung der Fasci italiani di combattimento, die sich zu Beginn ausdrücklich als Bewegung und noch nicht als Partei verstanden. Mit dem sogenannten Marsch auf Rom und der Übertragung der Regierungsgeschäfte an Mussolini begann 1922 die zweite Phase, die 1925/26 mit der Errichtung der faschistischen Einparteienherrschaft abgeschlossen war. 

Bis Mitte der 1930er Jahre war eine Phase der „Normalisierung“ zu verzeichnen. In diese Zeit fielen die Lateranverträge von 1929, der Ausgleich mit dem Vatikan. Auch auf wirtschaftlichem Gebiete hatte Mussolini Erfolge aufzuweisen, beispielsweise die Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe oder das Industriegebiet von Mestre, die Pünktlichkeit der italienischen Eisenbahnen wurde sprichwörtlich. Der allgemeine Lebensstandard stieg. Kulturrevolutionäre Architektur, Jugendkult, Führerverehrung, Massenmobilisierung und kriegerisches Pathos waren dem Regime eigen, ebenso fehlende Pressefreiheit und die Unterdrückung politischer Gegner. 

Bewunderer hatte der faschistische Staat zu dieser Zeit viele. Einer von ihnen war der britische Staatsmann Winston Churchill. Über die Tatsache, dass es sich um eine Diktatur handelte, sah man hinweg oder betrachtete es sogar als förderlich. Der Politologe Hans-Peter Schwarz macht darauf aufmerksam, dass Mussolini als Vorläufer vieler Dritte-Welt-Diktatoren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesehen werden kann, deren Gebaren in der westlichen Welt für die Entwicklung als unabdingbar betrachtet und damit akzeptiert wurde.

Rückkehr zu den linken Anfängen

Über das Italien zum Ende der 1920er Jahre schrieb der zeitgenössische deutsche Beobachter Hermann Heller: „Fascismus ist Mussolinismus und dieser, je nach der augenblicklichen Situation, Staatsverneinung oder Staatsvergottung, Sozialismus oder Kapitalismus, Syndikalismus oder Zentralismus, Katholizismus oder Paganismus.“ Außenpolitisch begab sich Mussolini 1935/36 mit dem Krieg gegen Abessinien, das heutige Äthiopien, auf Eroberungskurs. Mit der „Achse Berlin-Rom“ 1936 erfolgte eine immer stärke Anlehnung an Deutschland, 1939 wurde der „Stahlpakt“ unterzeichnet. Nach anfänglicher Zurückhaltung im Zweiten Weltkrieg scheiterte der Diktator dann militärisch in Nordafrika und auf dem Balkan. Ausgreifende Pläne, gar eine Beherrschung des Mittelmeerraumes nach Vorbild des Römischen Reiches, waren von vornherein illusorisch. An diese vierte, die „Expansionsphase“ der Herrschaft Mussolinis von Mitte der 1930er Jahre bis 1943 schloss sich nach dessen Absetzung als letzter Abschnitt das Dasein als „Marionettenherrscher“ von Adolf Hitlers Gnaden an. Mit der Italienischen Sozialrepublik besann er sich wieder auf seine links-sozialistischen Anfänge. Der vor allem autodidaktisch gebildete Mussolini hatte bis zum Ende nicht zu einer festen politischen Idee über die bloße Macht hinaus gefunden.