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24.04.20 / Zweiter Weltkrieg / Augenzeuge des „Unternehmens Barbarossa“ / Hans Machemer, der Sohn eines Kriegsteilnehmers, wertete gemeinsam mit dem Historiker Christian Hardinghaus Feldpostbriefe aus usgewertet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17 vom 24. April 2020

Zweiter Weltkrieg
Augenzeuge des „Unternehmens Barbarossa“
Hans Machemer, der Sohn eines Kriegsteilnehmers, wertete gemeinsam mit dem Historiker Christian Hardinghaus Feldpostbriefe aus usgewertet
Dagmar Jestrzemski

Am Morgen des 22. Juni 1941 begann das „Unternehmen Barbarossa“, der Angriff der Deutschen Wehrmacht gegen die Sowjetunion. Unter den fast 3,3 Millionen deutschen Soldaten, die zwischen Ostsee und dem Schwarzen Meer in das riesige Land einmarschierten, war auch Helmut Machemer, ein Truppenarzt der Aufklärungsabteilung der 16. Panzer-Division in der Südukraine. 

Aufnahmen von vorderster Front

Fast 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert ein Buch mit den sehr ausführlichen, historisch bedeutsamen Feldpostbriefen Machemers an das Leiden des einfachen Soldaten, des Landsers, sowie der Menschen in den Ländern, die in diesen sinnlosen Krieg einbezogen waren. Der Leser wird mit dem nationalsozialistischen Gedankengut konfrontiert, das auch den Arzt und seine Familie unmittelbar betraf und unter Druck setzte. „Wofür es lohnte, das Leben zu wagen. Briefe, Fotos und Dokumente eines Truppenarztes von der Ostfront 1941/42“ lautet der Titel eines kompakten Bandes mit 160 Briefen, zahlreichen Fotos und einer DVD mit mehreren Stunden Filmmaterial. 

Tragische Verstrickung der Lebens- mit der Zeitgeschichte

Ein Großteil der Briefe von Herbst 1941 bis Frühjahr 1942 sowie die Fotos und Filmaufnahmen stammen von Machemer, der in vorderster Reihe an der Ostfront im Einsatz war. Er wurde am 

18. Mai 1942 bei den Kämpfen um Charkow von einem Granatsplitter tödlich getroffen. Sein Sohn Professor Hans Machemer (geb. 1934) schrieb als Mitherausgeber des Buches ein nachdenkliches Vorwort. 

Er weist auf die tragische Verstrickung der Lebensgeschichte seines Vaters und zahlloser Menschen mit der Zeitgeschichte hin. Der Historiker und zweite Herausgeber Christian Hardinghaus half bei der Auswertung der Dokumente und einer chronologischen Verbindung zwischen den Briefen aus dem Felde und den hier ebenfalls veröffentlichten Familienbriefen, die der Arzt von seiner Ehefrau und den drei kleinen Söhnen aus der Heimat empfing. In einem gesonderten Kapitel erläutert der Historiker den Hintergrund und das Motiv für den selbstlosen Entschluss des Arztes zur freiwilligen Kriegsteilnahme. Über seine Persönlichkeit urteilt er: Helmut war ein neugieriger, kontaktfreudiger Mensch und unvoreingenommen gegenüber dem Feind.

Freiwillige Teilnahme zum Schutz der Familie  

Bereits bei Kriegsausbruch am 1. September 1939 hatte sich der damals 36-jährige Augenarzt aus Stadtlohn bei Münster freiwillig zur Wehrmacht gemeldet. Seine Absicht war, sich selbst und vor allem seine Kinder durch seine Frontbewährung und Tapferkeitsauszeichnungen aus der Diskriminierung wegen seiner – gemäß den Nürnberger Rassengesetzen – „jüdischen Versippung“ zu befreien. Zwar war sein Fronteinsatz wegen seiner „halbjüdischen“ Ehefrau Erna geborene Schwalbe offiziell nicht zulässig, doch wurde diese Verordnung von den Wehrmachtsstellen nicht berücksichtigt. Machemer hatte außerdem nach der Entlassung seines hochgeschätzten jüdischen Chefs der Augenklinik in Münster, Professor Aurel von Szily, eine Ehrenerklärung mitunterzeichnet, weshalb ihm die Kassenzulassung verweigert wurde. In den Briefen ist mehrfach von seiner Hoffnung auf eine zukünftige offizielle Anerkennung seiner Frau und der drei Söhne als deutsche Bürger mit allen zivilen Rechten aufgrund seiner erwiesenen Tapferkeit an vorderster Front die Rede.  

Sohn sichtete die Briefe erst 70 Jahre später

Hans Machemer verlor den geliebten Vater im Alter von sieben Jahren. Rund 70 Jahre später beschäftigte er sich erstmals eingehend mit dem Briefwechsel seiner Eltern aus den Jahren 1929 bis 1942, den sein 2009 in den USA verstorbener Bruder Robert, ein hoch dekorierter Professor der Augenheilkunde, bereits grob geordnet hatte. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde ihm klar, was sein Vater für die Seinen riskiert hatte. Seine Mutter hatte darüber bis zu ihrem Tod 1970 geschwiegen, wohl um ihre Söhne nicht zu belasten. Hans Machemer wünscht sich, dass die vorliegenden Briefe den Lesern ebenso wie ihm selbst zu einem wie demütigen Verständnis dieser Kriegsgeneration dienen.  

Hans Machemer/Christian Hardinghaus (Hg.): „Wofür es lohnte, das Leben zu wagen. Briefe, Fotos und Dokumente eines Truppenarztes von der Ostfront 1941/42“, Europa Verlag, 2. Auflage 2018, gebunden, 462 Seiten., mit DVD, 29,90 Euro