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30.04.20 / Kritik an Corona-Massnahmen / „Totalitarismus der Bio-Politik“ / Der italienische Philosoph Giorgio Agamben wirft Politik und Kirche Aushebelung der Demokratie vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18 vom 30. April 2020

Kritik an Corona-Massnahmen
„Totalitarismus der Bio-Politik“
Der italienische Philosoph Giorgio Agamben wirft Politik und Kirche Aushebelung der Demokratie vor
Bodo Bost

Giorgio Agamben war der erste zeitgenössische Philosoph, der in seinen Schriften den Begriff des „Totalitarismus der Bio-Politik“ eingeführt hatte. Agamben äußert grundsätzliche Bedenken gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Regierungen hätten vorschnell mit Notverordnungen das Prinzip der Gewaltenteilung ausgehebelt, das die Demokratie definiere. 

Aus seiner Sicht sei im Kampf gegen die Pandemie die „Schwelle, welche die Menschlichkeit von der Barbarei trennt, überschritten“. Noch nie in der Geschichte sei es so weit gekommen, dass im Namen eines bloßen Risikos Menschen einsam sterben und ihre Leichen ohne Bestattung verbrannt werden mussten. Nicht einmal während der Weltkriege sei die allgemeine Bewegungsfreiheit derart eingeschränkt gewesen wie jetzt, brachte der 78-Jährige vor. Die moderne Medizin habe einen großen Anteil an dem „Totalitarismus der Bio-Politik“, welche die Einheit der Lebenserfahrung des Menschen in eine biologische und kulturelle Dimension aufgespalten habe. 

Schwere Vorwürfe erhebt Agamben auch gegen die katholische Kirche. Sie habe „vergessen, dass auf den eigenen Nächsten zu verzichten bedeutet, auf den Glauben zu verzichten“. Der Philosoph wirft der katholischen Kirche vor, in der Corona-Krise „ihre wesentlichen Prinzipien radikal verleugnet“ und sich „zur Magd der Wissenschaft gemacht“ zu haben. Früher wurden Seuchen und Epidemien zu Zeiten intensiver religiöser Erfahrungen und Glanzzeiten religiösen Lebens. Viele der größten Wallfahrten, etwa zur „Trösterin der Betrübten“ in Luxemburg, und auch die Passionsspiele von Oberammergau sind in Zeiten der Pest entstanden. Noch während der letzten Cholera-Pandemie in Europa, vor 150 Jahren, veranstaltete man Sonderwallfahrten und „ewige Gebets“-Novenen gegen die Epidemie in ganz Europa. 

Heute höre die Kirche auf die Wissenschaft und lasse Hochfeste und Wallfahrten, die früher Trost gespendet hätten, ausfallen. Die Wissenschaftsgläubigkeit habe den Glauben an Gott ersetzt, sie sei zur neuen Religion unserer Zeit geworden, so Agamben. Der Papst, der sich den Namen Franziskus gegeben habe, vergesse, dass der Heilige Franziskus die Leprakranken umarmt habe. Die Kirche habe ihre eigenen Werke der Barmherzigkeit verleugnet, in denen es heißt, Kranke zu besuchen und Tote zu beerdigen. Die Märtyrer der Kirchen, die es auch heute noch gibt, hätten eher das Leben als den Glauben geopfert.