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30.04.20 / Hintergrund / Der alliierte Luftkrieg in Zahlen / Daten und Fakten zur Bombardierung ziviler Ziele im Deutschen Reich durch Briten und Amerikaner während des Zweiten Weltkriegs

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18 vom 30. April 2020

Hintergrund
Der alliierte Luftkrieg in Zahlen
Daten und Fakten zur Bombardierung ziviler Ziele im Deutschen Reich durch Briten und Amerikaner während des Zweiten Weltkriegs
Wolfgang Kaufmann

Nur wenige Stunden, nachdem Großbritannien dem Dritten Reich den Krieg erklärt hatte, warf die britische Luftwaffe am 4. September 1939 erstmals Bomben auf eine deutsche Stadt, nämlich Wilhelmshaven. Diese Terror-Attacken seitens der Streitkräfte der Anti-Hitler-Koalition dauerten bis zum 4. Mai 1945 an. An jenem Tage erlebten die Menschen in Kiel ihren 633. und letzten Fliegeralarm – danach fielen noch einmal 174 Tonnen Bomben auf den Stadtteil Holtenau.

Mehr als 6000 Luftangriffe

Insgesamt wurden im Verlaufe der über 6000 Luftangriffe auf Deutschland, die nicht militärischen, sondern zivilen Zielen galten, knapp zwei Millionen Tonnen Brand- und Sprengbomben abgeworfen. Betroffen von diesen Schlägen gegen die Infrastruktur und die Wohnbebauung waren mehr als 200 Stadtgemeinden, darunter alle Großstädte im Gebiet der heutigen Bundesrepublik sowie auch zahlreiche Klein- und Mittelstädte. Viele davon lagen erst in den letzten drei Kriegsmonaten im Bombenhagel, als die deutsche Niederlage bereits zweifelsfrei feststand.

In 30 der 54 Großstädte mit über 100.000 Einwohnern betrug der Zerstörungsgrad 70 Prozent und mehr. Besonders schwer traf es Köln, Dresden, Essen, Dortmund, Hannover, Nürnberg, Chemnitz, Münster, Solingen und Darmstadt. Unter den damaligen Mittelstädten rangierte Düren an der Spitze der Schadensstatistik, gefolgt von Pforzheim, Hanau, Heilbronn, Gießen, Paderborn, Offenbach, Nordhausen, Ulm, Koblenz und Halberstadt. In Düren standen nach dem letzten Bombardement vom 16. November 1944 nur noch ganze vier Häuser. Ebenso verzeichneten 93 Kleinstädte mit 5000 bis 25.000 Einwohnern massive Bombenschäden, darunter insbesondere Wriezen, Schwedt, Lübben, Müncheberg, Xanten, Jülich und Friedland.

Über 1000 Ortschaften bombardiert

Alles in allem waren mehr als 1000 Ortschaften im sogenannten Altreich in den Grenzen von 1937 von Angriffen aus der Luft betroffen. Besonders oft wurden dabei die Städte im Ruhrgebiet attackiert. So beispielsweise Bochum 225 Mal, Duisburg 299 Mal und Essen 272 Mal. In Köln heulten die Alarmsirenen bei 1122 Feind-Anflügen, woraufhin dann in 262 Fällen Bomben auf die Domstadt fielen. Am häufigsten traf es jedoch die Reichshauptstadt Berlin. 310 Terror-Bombardements gingen dabei auf das Konto der Westalliierten und 13 auf das der Luftstreitkräfte der Roten Armee.

323 Flächenbombardierungen Berlins

Betrachtet man den Anteil der im Luftkrieg gegen Deutschland zerstörten Wohnungen pro Großstadt, lag Würzburg mit 75 Prozent ganz vorn. Danach kamen unter anderem Kassel, Dortmund, Hamburg und Köln. Allerdings waren die Wohnungsverluste in den kleineren Kommunen oft noch dramatischer: In Düren betrugen sie 99 Prozent, in Wesel 92 Prozent und in Bocholt 89 Prozent. Bei den absoluten Zahlen führte indes Berlin mit 556.500 ruinierten Wohnungen die Rangliste an. Aufgrund des Umstandes, dass insgesamt 644.000 Häuser mit rund vier Millionen Wohnungen in Schutt und Asche sanken, fielen enorme Trümmermengen an. Deren Gewicht betrug wohl eine Milliarde Tonnen. 

25 Millionen Bücher verbrannt

Bei den Luftangriffen wurden neben Wohngebäuden auch zahlreiche Baudenkmäler und Kulturgüter vernichtet oder erheblich lädiert. Allein in den wissenschaftlichen Bibliotheken des Reiches gingen 25 Millionen Bücher in Flammen auf. Ebenso büßte Deutschland fast die Hälfte des Bestandes seiner Archive ein. Darüber hinaus zerstörten die Bomben 1200 Kirchen und beschädigten weitere 2300 schwer. Gleichfalls in die Tausende ging die Zahl der betroffenen Museen, Schlösser und anderer historisch wertvoller Stätten. So brannte beispielsweise in Frankfurt am Main das Geburtshaus von Wolfgang von Goethe nieder und in Eisenach das Luther-Haus. 

Bomben fielen sogar auf Staumauern – damit wollten die Alliierten die Wasserversorgung für die Bevölkerung und die Industrie im Ruhrgebiet unterbrechen. Hierdurch kam es im Falle der Eder- und Möhne-Talsperre tatsächlich zu verheerenden Dammbrüchen mit mehreren tausend Toten. Unbehelligt vom Terror aus der Luft blieben letztlich nicht einmal die Menschen auf den Nordseeinseln. Noch im April 1945 gab es Bombenangriffe auf Helgoland und Wangerooge.

Getreidefelder in Brand gesetzt

Gleichfalls gegen die deutsche Zivilbevölkerung gerichtet war die Operation Razzle im Sommer der Jahre 1940 und 1941. In deren Rahmen warf die britische Royal Air Force Millionen von Brandplättchen auf Getreidefelder im Westen des Reiches, um die Ernte zu vernichten und so eine Hungersnot auszulösen, was jedoch misslang.

Wie viele Menschen infolge all dieser Angriffe auf deutschem Gebiet starben, ist stark umstritten. Es gibt jedoch drei Quellen, die relativ sichere Angaben liefern, wobei es sich hier aber nur um Mindestzahlen handelt. Das sind zum Ersten die Luftkriegsschäden-Statistik des Statistischen Reichsamtes, die auf den täglichen Meldungen des Chefs der Ordnungspolizei im Zeitraum vom 1. Oktober 1940 bis zum 31. Januar 1945 beruhte, zum Zweiten die nachträgliche Erhebung der städtischen Statistikämter für die Zeit ab Kriegsbeginn bis zum 30. September 1940 sowie zum Dritten das Ergebnis einer Umfrage des Statistischen Bundesamtes mit Unterstützung des Deutschen Städtetages im Oktober 1954 zwecks Feststellung der Opferzahlen ab dem 1. Februar 1945. Diesen Quellen zufolge starben bei den Luftangriffen auf das Altreich 537 000 deutsche Zivilisten, worunter auch Flüchtlinge aus den Ostgebieten fielen, sofern deren Tod offiziell registriert wurde. Hinzu kamen 24.000 Angehörige der Polizei und Wehrmachtssoldaten auf Heimaturlaub. Außerdem erlitten 834.000 Zivilpersonen und 36.000 Polizisten oder Fronturlauber Verletzungen ernsthafterer Art.

Kollateralschäden inbegriffen

Zu den Opfern des Bombenterrors gehörten aber auch die 32.000 ums Leben gekommenen und die 26.000 verwundeten Fremdarbeiter aus dem Ausland sowie Kriegsgefangene in deutschen Lagern. Deren Schicksal war den Planern der alliierten Luftangriffe offenbar ebenso gleichgültig wie das der Juden im Machtbereich der Nationalsozialisten. Denn obwohl es militärisch möglich gewesen wäre, den Holocaust durch die Bombardierung von im Bau befindlichen Vernichtungslagern oder der Bahnstrecken dorthin zu stoppen, erfolgte nichts Derartiges.