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30.04.20 / Krisen / So höhlt die Politik das Grundgesetz aus / Mit „Klimakabinett“ und „Corona-Kabinett“ werden die verfassungsmäßigen Bahnen immer öfter umgangen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18 vom 30. April 2020

Krisen
So höhlt die Politik das Grundgesetz aus
Mit „Klimakabinett“ und „Corona-Kabinett“ werden die verfassungsmäßigen Bahnen immer öfter umgangen
Erik Lommatzsch

Kabinettsausschüsse sind in Deutschland verfassungsrechtlich sehr fragwürdige Angelegenheiten. Das Grundgesetz kennt sie nicht. Das Kabinett führt die Regierung. Es besteht nicht ohne Grund, neben dem Regierungschef, aus der Gesamtheit der Minister. Diese wiederum werden von hohen Beamten unterstützt. Ein Kabinettsausschuss hingegen wird, wie die Bezeichnung nahelegt, nur aus einem Teil der Regierung gebildet.

Die Geschichte derartiger informeller Gremien in der Bundesrepublik ist lang. So wurde bereits 1955 ein Bundesverteidigungsrat geschaffen, der heute Bundessicherheitsrat heißt und dem gegenwärtig acht Minister angehören, den Vorsitz führt Kanzlerin Angela Merkel, andere Teilnehmer, etwa der Generalinspekteur der Bundeswehr, werden bei Bedarf hinzugezogen.

Bindende „Empfehlungen“

Entscheidungsbefugnisse haben Kabinettsausschüsse nicht, offiziell sind sie lediglich beratend tätig und sprechen der Regierung insgesamt Empfehlungen aus. In der Praxis ist ihr Einfluss jedoch erheblich größer. Wohl kaum ein Minister, der dem Kabinettsausschuss nicht angehört, dürfte sich dessen „Empfehlungen“ entgegenstellen, wurde er doch schon zuvor als für das jeweilige Thema entbehrlich aussortiert.

Neuerdings werden derartige Gremien, an deren Spitze stets die richtlinienbestimmende Kanzlerin steht, durch die Medien nicht mehr als „Ausschüsse“, sondern als „Kabinette“ bezeichnet, versehen mit einem entsprechenden Zusatz. Unterstrichen wird damit die Bedeutung dieser Gremien und die Bedeutung der „Krise“, die durch ihr Wirken gemeistert werden soll. Diese verbale Aufwertung dürfte auch dem Selbstverständnis der Mitglieder solcher vermeintlichen Kabinette entsprechen. 

Es ist noch gar nicht so lange her, da war in der „Klima-Krise“ nahezu täglich vom „Klimakabinett“ die Rede. Neben Merkel sind hier der Regierungssprecher, der Kanzleramtschef sowie sechs weitere Minister zugange. In der „Corona-Krise“ braucht Deutschland natürlich ein „Corona-Kabinett“, dem ebenfalls nur der kleinere Teil des Bundeskabinetts angehört. Als „Corona-Kabinett“ beziehungsweise „Klimakabinett“ finden sich die Bezeichnungen, in bemerkenswert uneinheitlicher Schreibweise, sogar auf offiziellen Verlautbarungen der Bundesregierung.

Vorbild sind die „Kriegskabinette“

Historisch waren solche Sonderkabinette in der Regel „Kriegskabinette“. Gebildet wurden diese etwa in Großbritannien während der beiden Weltkriege. Auch der damalige US-Präsident George W. Bush führte nach den Anschlägen des 11. September 2001 ein „War Cabinet“. In Deutschland wurden später „Klima“ und „Corona“ für wert befunden, die Geschichte der Sonderkabinette fortzuschreiben. Die Tatsache, dass die Begrifflichkeiten „Kriegskabinett“, „Klimakabinett“ und „Corona-Kabinett“ schöne Alliterationen mittels des K-Lautes bilden, ist Zufall, entbehrt aber nicht einer gewissen Ironie. 

Zumal man dann noch das „Küchenkabinett“ anreihen könnte, eine Bezeichnung für das völlig irreguläre Beraterumfeld eines Entscheidungsträgers. Davon sind Sonderkabinette zwar noch ein Stück entfernt, aber die Selbstverständlichkeit, mit der sie in der „Krise“ eingerichtet werden und letztendlich doch Entscheidungen treffen, trägt weiter zur Aushöhlung der grundgesetzlichen Ordnung bei.