16.04.2024

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30.04.20 / E-Learning / Fernunterricht in Allenstein / Neue Herausforderung für Lehrer und Schüler – Krise offenbart mangelhafte Digitalisierung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18 vom 30. April 2020

E-Learning
Fernunterricht in Allenstein
Neue Herausforderung für Lehrer und Schüler – Krise offenbart mangelhafte Digitalisierung
Dawid Kazanski

Infolge der Corona-Epidemie wurden Kitas, Kindergärten, Schulen und Universitäten in der Republik Polen bereits am 

16. März geschlossen. Wie der Gesundheitsminister bei der Einführung dieser Maßnahme unterstrich, sollte diese Zeit nicht als Freizeit betrachtet werden, das seien keine Ferien, sondern eine Zeit der Quarantäne der Gesellschaft. Deswegen wurden die Lehrkräfte zur Gestaltung des Fernunterrichts sowie Schüler und Studenten zum aktiven Lernen via Internet verpflichtet. Wie sieht das aber in Praxis aus? 

Man muss ehrlich sagen, dass das elektronisch unterstützte Lernen, das sogenannte E-Learning,  nicht nur für die Lehrer sowie  die Schüler und deren Eltern eine beispiellose Herausforderung darstellt, sondern auch für das polnische Bildungssystem. Letzteres zeigte sich dieser Herausforderung  bisher nicht gewachsen und versucht derzeit vielerlei Versäumtes vor allem im technologischen Bereich nachzuholen. Eines der größten Probleme der virtuellen Bildung ist die unzureichende Vorbereitung der Institution Schule auf eine Online-Abwicklung des Lernprozesses.

Da das Durchschnittsalter der Pädagogen in Polen bei immerhin 45 liegt und im Lehrerberuf viele Rentner tätig sind, wurden bisher in Klassenzimmern vorwiegend traditionelle Unterrichtsmethoden angewandt. Die neuartigen computergestützten Online-Werkzeuge wie Podcasts, Chats, Software zur Internetkommunikation, zahlreiche Lernplattformen oder Applikationen betrachtete man eher als ein wenig Abwechslung von der gängigen Lehrmethode. Das sogenannte E-Learning wurde aus diesem Grund in öffentlichen Schulen nie ernstgenommen, Lehrkräfte wurden für das Fernunterricht nicht ausgebildet. Wer sich nicht aus eigenem Interesse mit digitalen Medien beschäftigt hat, kommt nun mit den internetgesteuerten Lernprozessen nicht zurecht. 

Diejenigen Lehrkräfte, die selbt Kinder haben und von zu Hause aus unterrichten sollen, versuchen sich in einem schwierigen Spagat zwischen Privat- und Berufsleben. Das führt dazu, dass sie sich  überfordert fühlen und die Gestaltung des Fernunterrichts viel zu wünschen übrig lässt. Abgesehen von der Situation der Lehrer in der neuen Schulwirklichkeit stoßen auch viele Schüler auf Schwierigkeiten. An der Einstellung oder der Verhaltensweise einzelner Kinder und Jugendlicher merkt man, dass Kompetenzen wie Selbstverantwortung und -disziplin in der virtuellen Schule die wichtigste Rolle spielen. Die Ambitionierten sind dazu gezwungen, dem selbstständigen Lernen mehr Zeit zu widmen als sonst, die Leistungsschwächeren oder diejenigen, die nicht so viel Motivation aufbringen können, ziehen sich aus dem Fernunterricht zurück. 

Nicht überall schnelles Internet

Das, was das Lernen aus der Sicht der Jugendlichen wesentlich erschwert, ist die Tatsache, dass man nicht überall einen Breitband-Internetzugang hat. Dieses Schicksal teilen selbst Schüler von Allensteiner Bildungsstätten, die am Stadtrand oder in abgelegenen Dörfern wohnen, in denen es keine Internetzugänge mit hohen Geschwindigkeiten gibt. In einigen Haushalten können sich die Schüler sogar nur über ihre Mobiltelefone ins Internet einwählen. 

Der Fernunterricht hat wohl oder übel Auswirkungen  auf das Leben aller, die mit Schülern unter einem Dach wohnen. Bei den schulischen Aufgaben müssen die Eltern vor allem jüngere Kinder im Grundschulalter unterstützen, denn sie brauchen die meiste Hilfe beim Umgang mit dem Rechner. Eltern, vor allem von Grundschülern,  fällt die Rolle des abwesenden Lehrers zu, was besonders auf die Hausaufgabenbetreuung zutrifft. 

Kinderreiche Familien oder solche, in denen die Eltern im Homeoffice arbeiten, mussten sich notgedrungen mit zusätzlichen Computern versorgen, was das Haushaltsbudgets deutlich belastet hat. Auch in Allenstein haben einige Schüler nur schwer Zugang zu Computern, sodass sie am Fernunterricht nur eingeschränkt teilnehmen können. Nach vorläufigen Informationen der Stadtbehörden benötigen 1287 Schüler Unterstützung bei der technischen Ausstattung. 

In den Schulen, in denen es möglich war, halfen die Direktoren aus, indem sie Computer an Eltern der betroffenen Kinder oder Jugendlichen verliehen. Die Stadt plant auch Laptops aus eigenen Mitteln anzuschaffen, um Bedürftigen zu helfen. Am härtesten trifft die Krisensituation die diesjährigen Abiturienten. Sie fühlen sich einem enormen Stress ausgesetzt, weil ihre Reifeprüfung auf unbekannte Zeit verschoben wurde. Der Wunsch nach der Rückkehr in den Schulalltag ist sowohl seitens der Lehrer als auch der Schüler groß. Noch nie bewies irgendein Ereignis so explizit, dass E-Learning nicht im Stande ist, den normalen Schulbetrieb zu ersetzen.