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08.05.20 / Rote Armee Fraktion / Andreas Baader: Geburtsstunde des linken Terrors / Vor einem halben Jahrhundert wurde der damals 27-Jährige von Gesinnungsgenossen aus der Haft befreit. An dieser sogenannten Baader-Befreiung wird bis heute das Entstehen der RAF festgemacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19 vom 08. Mai 2020

Rote Armee Fraktion
Andreas Baader: Geburtsstunde des linken Terrors
Vor einem halben Jahrhundert wurde der damals 27-Jährige von Gesinnungsgenossen aus der Haft befreit. An dieser sogenannten Baader-Befreiung wird bis heute das Entstehen der RAF festgemacht
Klaus J. Groth

Die Befreiung des Häftlings Andreas Baader gilt als Geburtsstunde der Rote Armee Fraktion (RAF). Nach dessen Flucht am 14. Mai 1970 überzogen die Links-Terroristen der Baader-Meinhof-Bande, ausgebildet in Lagern der Palästinenser, die Bundesrepublik Deutschland mit brutaler Gewalt. Die Bilanz des Terrors: 34 Morde, 200 Verletzte, diverse Geiselnahmen, Banküberfälle und Sprengstoffattentate.

Baader war gemeinsam mit Gudrun Ensslin 1968 wegen versuchter menschengefährdender Brandstiftung in zwei Frankfurter Kaufhäusern zu jeweils drei Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Neun Anwälte hatten die Verteidigung übernommen, unter ihnen Horst Mahler und der spätere Bundesinnenminister Otto Schily. Von Ost-Berlin angeheizt, hatten sich große Teile der Studentenschaft radikalisiert, nachdem der Student Benno Ohnesorg 1967 erschossen worden war. In West-Berlin marschierten 50.000 Menschen bei der Mai-Demonstration, der Kampf gegen die Notstandsgesetze begann, auf den Studentenführer Rudi Dutschke wurde geschossen, der Verlag Axel Springer wurde belagert. In jener aufgewühlten Zeit wurde der Prozess gegen Ensslin und Baader geführt. Gegen das Urteil von drei Jahren Zuchthaus legte die Verteidigung Revision ein, der Vollzug wurde ausgesetzt. Ensslin und Baader setzten sich nach Paris ab. 1970 kehrten beide nach Berlin zurück. Sie wohnten bei der Journalistin Ulrike Meinhof, bis ein 

V-Mann einen Hinweis auf Baader gab. Der wurde festgenommen und in der Justizvollzugsanstalt Tegel inhaftiert. 

Meinhofs Flucht war nicht geplant

Seitdem planten Gesinnungsgenossen die Befreiung. Eine wesentliche Rolle spielte dabei der Verleger Klaus Wagenbach. Für ein angebliches, gemeinsames Buchprojekt von Meinhof und Baader zur „Organisation randständiger Jugendlicher“ beantragte Wagenbach „Ausführung zum Quellenstudium“. Das sollte im Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) stattfinden. 

Am Tag zuvor hatten die Gesinnungsgenossinnen Ingrid Schubert und Irene Goergens das Institut in Augenschein genommen. Ulrike Meinhof saß bereits im Lesesaal, als am nächsten Tag Baader, begleitet von zwei Beamten, eintraf. Wenig später kamen auch Schubert und Goergens, mussten aber außerhalb des Lesesaals bleiben. In einem unbeobachteten Moment betätigten sie den automatischen Türöffner für die Außenpforte. Ein Mann mit Kopfmaske stürmte herein, in jeder Hand eine Pistole. Ihm folgte eine ebenfalls maskierte Frau. Georg Linke, ein Mitarbeiter des Instituts, versuchte sie aufzuhalten. Der Eindringling schoss und traf Linke. Mit zwei Mitarbeiterinnen des Instituts flüchtete der schwerverletzte Linke durch ein Fenster. Derweil waren Schubert und Goergens zum Lesesaal gerannt, gefolgt von den beiden Maskierten. Schubert und Goergens schossen mit Gaspistolen. Es kam zu einem Handgemenge, bei dem ein Aufseher der maskierten Frau die Perücke vom Kopf riss, es war Ensslin. Sein Kollege schlug zugleich dem maskierten Mann eine Baretta aus der Hand. Der schoss eine Ladung Tränengas ins Gesicht des Aufsehers. Baader sprang aus dem Fenster, Meinhof folgte. Die anderen schossen noch mehrere Gaspatronen ab, bevor auch sie aus dem Fenster sprangen. Auf der Straße standen zwei Fluchtautos.

Die Flucht der Journalistin Meinhof war nicht geplant gewesen. Sie hatte im Institut bleiben wollen, um später über die Befreiung zu berichten. Der Einsatz der scharfen Pistole hatte alles geändert. Die Gruppe versteckte sich in der Wohnung einer Freundin Meinhofs. 

Während die Fahndung nach Baader und dessen Befreiern auf Hochtouren lief, war die Gruppe in Berlin untergetaucht. Kontaktfäden liefen zu dem Kabarettisten Wolfgang Neuss sowie den Rechtsanwälten Kurt Groenewold, Mahler und Schily. Zugleich machten die Linksextremisten den ersten Schritt in die Öffentlichkeit. Das anarchistische Blatt „Agit 883“ veröffentlichte im Juni 1970 einen Text, der forderte: „Die Rote Armee aufbauen!“ Drei Wochen nach der gewaltsamen Befreiung Baaders betrat die RAF damit die Bühne. 

Mehrere Mitglieder der Gruppe waren inzwischen enttarnt worden, ihre Steckbriefe hingen aus. Dennoch wagten sich etliche von ihnen zum nächtlichen Baden an den Schlachtensee, die Pistolen versteckten sie in ihren Kleidern. Baader und Freundin Ensslin fuhren mit großem Wagen auf dem Kurfürstendamm, wo sie teuer einkauften. Sie wollten chic ausgestattet sein, wenn sie sich nach Jordanien absetzten. 

Zwei Jahre später begann das Töten

Über einen Palästinenser hatte die Gruppe Kontakt zur Bewegung zur nationalen Befreiung Palästinas (Fatah) aufgenommen. Geplant war die militärische Ausbildung in einem Camp der palästinensischen Fedajin. Die Reisevorbereitungen standen vor dem Abschluss, die Flugtickets waren für den 8. Juni 1970 beim DDR-Unternehmen Interflug gebucht, die Hotelzimmer in Beirut bestätigt. 

Zum Abschied hatte Meinhof ein Tonband besprochen, das dem „Spiegel“ zugespielt wurde. Das Magazin druckte davon Teile. Meinhof äußerte sich zur Gewalt gegenüber Polizisten: „… und wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch, und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden, und natürlich kann geschossen werden.“

Nicht alle, die an der Befreiung Baaders beteiligt waren, hatten sich in den Libanon abgesetzt. Im Oktober 1970 wurden Goergens, Schubert und Mahler in Berlin festgenommen. Bei dem folgenden Prozess im März 1971 verteidigte Schily Mahler, die Verteidigung der beiden Frauen übernahmen Klaus Eschen und Hans-Christian Ströbele. Eschen und Ströbele betrieben in Berlin das „Sozialistische Anwaltskollektiv“, dem auch Mahler angehörte. Wegen versuchten Mordes und Gefangenenbefreiung verurteilte das Gericht Schubert zu sechs Jahren Freiheitsstrafe, Goergens zu vier Jahren Jugendstrafe, Mahler wurde freigesprochen.

Zwei Jahre nach der Befreiung Baaders begann das Morden der Baader-Meinhof-Bande.





Kurzporträts

Nach fünf Sprengstoffanschlägen mit vier Toten sowie mehreren Bankrauben wurde 

Andreas Baader 1972 verhaftet und fünf Jahre später zu lebenslanger Haft verurteilt. Er wählte 1977 den Freitod

Nach fünf Bombenanschlägen mit vier Todesopfern wurde Gudrun Ensslin 1972 verhaftet und wegen vierfachen Mordes 1977 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Sie beging 1977 Selbstmord

Nach ihrer Teilnahme an der sogenannten Mai-Offensive der Rote Armee Fraktion wurde die Journalistin Ulrike Meinhof 1972 festgenommen. Sie wurde 1974 in ihrer Zelle erhängt aufgefunden