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08.05.20 / Trauma Pandemie / Furcht um die wirtschaftliche Existenz steht an erster Stelle / Bis hin zu weit mehr Suiziden: Britische und US-Wissenschaftler untersuchen die seelischen Folgen von Corona und „Lockdown“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19 vom 08. Mai 2020

Trauma Pandemie
Furcht um die wirtschaftliche Existenz steht an erster Stelle
Bis hin zu weit mehr Suiziden: Britische und US-Wissenschaftler untersuchen die seelischen Folgen von Corona und „Lockdown“

Durch Corona und „Lockdown“ werden unzählige Menschen auch psychischen Schaden nehmen. Hierzu gibt es erste wissenschaftliche Studien, wie die von Henning Goersch, Professor für Bevölkerungsschutz und Katastrophenmanagement an der privaten Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin. Darüber hinaus analysierten Forscher vom King’s College in London um die Psychologin Samantha Brooks ältere Untersuchungen über die seelischen Auswirkungen der SARS-Pandemie von 2002/2003 und diverser Ebola-Ausbrüche in Afrika.

Angst und Hilflosigkeit

In beiden Fällen identifizierten die Experten zahlreiche seelisch krankmachende Stressfaktoren: behördlich verfügte Einschränkungen, Langeweile, Isolation und Einsamkeit, Vorherrschen negativer Affekte wie Angst und Hilflosigkeit sowie das Gefühl der totalen Fremdbestimmung, fehlende Alltagsroutinen in 

Kombination mit unzureichenden Bewältigungsstrategien, antisoziale beziehungsweise riskante Verhaltensweisen von 

Mitmenschen, fehlende oder widersprüchliche Informationen seitens offizieller Stellen und Bedrohung der 

wirtschaftlichen Existenz. 

Letzteres ist das definitiv größte Problem der Menschen in der „Lockdown“-Krise, wie Goerschs Befragungen ergaben. Dahingegen landete die Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus SARS-CoV-2 nur auf Platz Acht der meistgehegten Befürchtungen derzeit.

Andererseits unterscheiden sich die Reaktionsweisen je nach Persönlichkeit des Einzelnen: Humorvolle Optimisten, welche zudem noch kreativ sind, erleiden kaum Schaden – genau wie die Introvertierten, denen Kontakt- und Ausgangssperren sogar entgegenkommen. Für die Mehrzahl der Menschen wird die Situation allerdings zunehmend prekär, was insbesondere für jene 2,5 Millionen Deutsche gilt, die sich schon vor der Corona-„Lockdown“-Krise in psychiatrischer oder psychologischer Behandlung befanden. Bei denen dürfte es nun oft zu deutlichen Verschlimmerungen der Krankheits- oder Störungsbilder kommen.

Besonders wahrscheinlich ist dabei die Verstärkung oder Entstehung von Angstneurosen und Posttraumatischen Belastungssyndromen, Zwangsstörungen sowie Suchterkrankungen aller Art. Ebenso droht eine Zunahme schwerer Persönlichkeitsstörungen.

Das böse Erwachen kommt noch

Und sicherlich treten vermehrt Depressionen und andere affektive Psychosen auf, was wachsende Suizidraten impliziert. Über deren genaues Ausmaß lässt sich derzeit nur spekulieren. Nach der Finanzkrise von 2008 ermittelten Wissenschaftler aus Großbritannien und Hongkong einen Anstieg der Selbstmordzahlen in 54 Industriestaaten um durchschnittlich 3,3 Prozent. Das wären in Deutschland reichlich 300 Suizide mehr pro Jahr als sonst. Doch diese Werte könnten in der „Lockdown“-Krise deutlich übertroffen werden, weil die psychischen Belastungen deutlich extremer sind und zudem mehr ohnehin schon gefährdete Menschen treffen.

Die Auswirkungen des seelischen Leidensdrucks der Bevölkerung dürfte umso dramatischer ausfallen, je übertriebener oder ungerechter die staatlicherseits verhängten Einschränkungen im Laufe der Zeit erscheinen und je größer der wirtschaftliche Schaden gerät. Dann könnte es nach dem Ende des Pandemie-Albtraums ein sehr böses Erwachen innerhalb der Gesellschaft geben.   W.K.