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08.05.20 / Vor 75 Jahren / Das Kriegsende in Pommern / Die letzten Wochen vor dem totalen Zusammenbruch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19 vom 08. Mai 2020

Vor 75 Jahren
Das Kriegsende in Pommern
Die letzten Wochen vor dem totalen Zusammenbruch
Siegbert Antonius

Am 12. Januar 1945 begann die Großoffensive der Roten Armee gegen die deutsche Ostfront, die zu diesem Zeitpunkt noch in Polen entlang der Weichsel verlief. Die russischen Truppen besaßen eine große zahlenmäßige Überlegenheit. Trotz der Warnungen des Generalstabs des Heeres hatte Hitler es abgelehnt, die deutschen Truppen zu verstärken.

Bereits Ende Januar drangen die Truppen der 1. Weißrussischen Front des sowjetischen Marschalls Schukow in den Süden Pommerns ein. Ihnen standen kaum noch kampffähige deutsche Verbände gegenüber. Hitler ordnete die Aufstellung einer neuen Heeresgruppe „Weichsel" an, die auch den gesamten Bereich der Front in Pommern übernahm. Zum Befehlshaber ernannte er aber keinen General der Wehrmacht, sondern Heinrich Himmler, den Führer der SS. Es zeigte sich schon nach kurzer Zeit, dass Himmler der Aufgabe nicht gewachsen war. Es fehlte ihm an militärischer Erfahrung. In Aufrufen an die Bevölkerung versuchte er Optimismus zu verbreiten und verkündete eine baldige Wende. Die folgenden Wochen zeigten jedoch, wie unbegründet das Erwecken solcher Hoffnungen war. Nach den späteren Rückschlägen in Pommern wurde Himmler dann auch am 20. März als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe „Weichsel“ abgelöst.

Viele sowjetische Soldaten waren beim Überschreiten der Grenze von Hassgefühlen erfüllt. So schrieb etwa ein sowjetischer Offizier in sein Tagebuch: „Deutschland steht in Flammen und es stimmt einen irgendwie froh, diesem bösen Schauspiel beizuwohnen. Tod um Tod, Blut um Blut.“

Die deutsche Führung plante, durch die Verteidigung von sogenannten „Festen Plätzen“ das weitere Vordringen der Russen zu stoppen. Südlich von Stettin sollten Bahn, Pyritz und Arnswalde bis zum Äußersten verteidigt werden. Der bedeutendste dieser „Wellenbrecher" war aber die Stadt Schneidemühl. Sie war ab Ende Januar mit einer Besatzung von über 20.000 Soldaten eingeschlossen. Hier endeten die Kämpfe Mitte Februar 1945 mit einem Ausbruchsversuch der deutschen Verteidiger, der weitgehend misslang. Nur ungefähr 1000 deutschen Soldaten soll es gelungen sein zu entkommen.

Zu dieser Zeit scheiterte auch der Versuch der Deutschen, einen größeren Gegenangriff in Pommern zu führen. Die „Operation Sonnenwende“ sah vor, mit Panzerverbänden aus dem Raum östlich von Stargard nach Süden vorzustoßen und den russischen Truppen im Raum Küstrin einen Schlag zu versetzen. Dadurch wäre die Bedrohung Pommerns und auch Berlins ausgeschaltet worden. Der Angriff scheiterte nach kurzen Anfangserfolgen. Marschall Schukow hatte die Gefahr für seine Truppen erkannt und starke Reserven herangeführt.

Nunmehr bereiteten die Russen ihrerseits einen neuen Großangriff vor, um das gesamte Gebiet östlich der Oder zu erobern. Die 1. und die 2. Weißrussische Front der Marschälle Schukow und Rokossowski marschierten hierfür mit einer ganzen Reihe von Armeen auf. Rokossowski griff am 24. Februar aus der Gegend von Neustettin an und drang an die Ostsee bei Köslin vor. Seine Truppen schwenkten dann nach Osten in Richtung Danziger Bucht. Schukow eröffnete seine Offensive am 1. März in der Nähe von Stargard. Ziel war auch hier die Ostsee, zudem der Raum von Stettin.

Bereits Anfang März 1945 existierte keine geschlossene deutsche Frontlinie in Hinterpommern mehr. Russische Panzer rollten in die Städte und Dörfer ein. Mitte März hatte die Rote Armee fast den gesamten Raum östlich der Oder eingenommen. Einer deutschen Kräftegruppe unter dem Kommando des Generals von Tettau war es zuvor noch gelungen, sich aus dem mittleren Hinterpommern bis zur Insel Wollin durchzuschlagen. In ihrem Schutz gelangten Tausende von Flüchtlingen nach Westen. Der Versuch der Deutschen, einen „Brückenkopf" vor Stettin, im Bereich von Altdamm, zu halten, hatte keinen Erfolg. Die letzte größere Stadt in Hinterpommern, die noch verteidigt wurde, war schließlich Kolberg. An der Belagerung dieser Stadt nahmen auch Truppen der 1. Polnischen Armee teil. Deutsche Kriegsschiffe unterstützten die Verteidiger. Am 18. März endete der Kampf um Kolberg, nachdem der größte Teil der deutschen Truppen und eine große Anzahl von Flüchtlingen auf Schiffen über die Ostsee entkommen waren.

Der russische Vormarsch führte dazu, dass große Teile der Bevölkerung Pommerns ihre Heimatorte verließen und die Flucht ins Ungewisse antraten. Endlose „Treck's“ füllten die Straßen. Die Fluchtwege führten über den Stettiner Raum und die Inseln Wollin und Usedom in das Gebiet westlich der Oder. Für die Menschen, die durch die Vorstöße der Russen zur Ostsee im mittleren und östlichen Hinterpommern abgeschnitten waren, gab es nur noch den Weg zur Küste, um von dort mit dem Schiff nach Westen zu gelangen. Neben den Häfen in Pommern waren auch die Hafenstädte an der Danziger Bucht Orte der Hoffnung für viele Flüchtlinge. Auf den Landstraßen waren die Menschen dem gnadenlosen Beschuss von Tieffliegern ausgesetzt. Tausende Opfer forderte auch ein Angriff der amerikanischen Luftwaffe am 12. März auf Swinemünde.

Am 20. April 1945 überschritten die sowjetischen Streitkräfte die Oder südlich von Stettin und überfluteten nun auch Vorpommern und Mecklenburg. Die größeren Städte in Vorpommern fielen in schneller Abfolge in russische Hand: Am 30. April wurde Greifswald besetzt, am 1. Mai Stralsund und am 5. Mai waren die Russen in Saßnitz auf Rügen. Eine erbitterte Verteidigung von „Festungen“ gab es hier nicht mehr. Die meisten Soldaten und Zivilisten hatten wohl auch erkannt, dass der Krieg endgültig verloren war. In Greifswald übergab der deutsche Kommandant die Stadt kampflos den Russen. Es fand ein förmlicher Akt der Übergabe im Greifswalder Rathaus mit anschließendem Bankett statt. Der Kommandant, Oberst Petershagen, der später in der DDR lebte, verfasste dort ein Buch über diese Ereignisse mit dem Titel: „Gewissen in Aufruhr".

Die Verluste, vor allem der Zivilbevölkerung, die durch die Kampfhandlungen und den Einmarsch der Russen in Pommern entstanden, wird wohl niemand mehr genau beziffern können. Ohnehin lässt sich anhand nüchterner Zahlen nicht das Leid ermessen, das jene letzten Kriegsmonate von Januar bis Mai 1945 über Pommern und seine Menschen brachten.                                            

Heimatkreis Stargard

Info  Verfasst von Siegbert Antonius, Hasloch, http://www.heimatkreis-stargard.de