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08.05.20 / Konservatives CHristentum / Gegenpositonen zur Zeitgeist-Kirche / Autorengruppe analysiert den Glauben zwischen Tradition, Säkularismus und Populismus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19 vom 08. Mai 2020

Konservatives CHristentum
Gegenpositonen zur Zeitgeist-Kirche
Autorengruppe analysiert den Glauben zwischen Tradition, Säkularismus und Populismus
Bernd Kallina

In die großen Auseinandersetzungen unserer Zeit sind auch beide Kirchen involviert. Evident ist, wie sich gesellschaftliche Konfliktlinien im binnenkirchlichen Diskurs spiegeln. Auch hier gibt es – analog zu ‚Dunkeldeutschen‘ und ‚Helldeutschen‘– ‚dunkle‘ und ,helle‘ Christen“, so steht es in der Einleitung eines bemerkenswerten Sammelbandes, der unter dem Titel „Nation, Europa, Christenheit – Der Glaube zwischen Tradition, Säkularismus und Populismus“ im österreichischen Ares-Verlag erschienen ist. 

Das von Felix Dirsch, Volker Münz und Thomas Wawerka herausgegebene Werk ist in gewisser Weise der Fortsetzungsband des im Herbst 2018 im gleichen Verlag auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellten Werkes einer teilidentischen Autorengruppe, Titel: „Rechtes Christentum?“. In beiden Schriften geht es um tiefschürfende Begründungen von konservativen Gegenpositionen zu den überhandnehmenden modischen Zeitgeist-Anpassungen der katholischen und – mehr noch – der evangelischen Kirche in Deutschland. 

Auch wenn es in unseren Tagen gerade nicht danach aussieht, so könnten allerdings jene sich progressiv gebenden Kräfte in beiden christlichen Kirchen mit einer sprichwörtlichen Reaktion schon bald konfrontiert sehen, dass, so die Wendung, wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, bald Witwer sein könnte. 

Mit Argusaugen vermessen die Herausgeber das ideologisch aufgeladene Kampffeld der gegensätzlichen Lager. So lasse sich das „helle Christentum“ leicht diagnostisch umreißen, nämlich: „Man wird im Regelfall dazugerechnet, wenn man sich möglichst laut von jenen Kräften distanziert, die allenthalben als Rechtspopulisten gescholten werden. Die Attackierten sind üblicherweise Mitglieder (oder Menschen im Umfeld) von Alternative für Deutschland, ‚Pegida‘ und Identitärer Bewegung“, schreiben die Herausgeber und ergänzen mit Blick auf das progressive Lager: „Positiv gewendet setzt sich diese Richtung für offene Grenzen und weitere Masseneinwanderung ein. Selbst an der Spitze der katholischen Kirche nehmen manche eine säkulare Trias als zu verwirklichende Hauptaufgabe (statt des Einsatzes zugunsten des Seelenheils) wahr: Menschenrechte, Migration und Klimawandel. Dem globalistisch eingefärbten Humanitätsethos gebührt folglich ein hoher Stellenwert, vielleicht sogar der prioritäre.“

In elf Kapiteln vertiefen die Autoren ihre theologisch grundierten Einlassungen in einer großen Spannbreite, changierend zwischen biblischem Auftrag des Christentums und säkularer Lage in Deutschland und Europa. Thomas Wawerka widmet sich beispielsweise den theologischen Leitbegriffen wie „Nächstenliebe“ und „Barmherzigkeit“. Gerhard Michaelis untersucht, welche Bedeutung und Bewertung den Bezugsgrößen „Volk“ und „Nation“ im Laufe der jüdisch-christlichen Geschichte beigemessen werden. Felix Dirschs ausführlicher Beitrag legt die Bezeichnung „rechtes Christentum“ im Sinne eines heimat- und volksnahen Verständnisses aus. Dieses grenzt er von einer Umfunktionierung des Christentums im weiten Rahmen einer globalen Ordnung ab. Dabei vermittelt er die treffliche Erkenntnis, dass „rechtes Christentum stets sämtliche Facetten einer ,cucked christianity‘ bekämpft, wie sie in den USA heißt. Gemeint ist damit ein Glaube, der die Selbstbehauptung der eigenen Kultur und des eigenen Staates fördert und nicht unterminiert.“

Lothar Mack begibt sich mit dem deutsch-jüdischen Philosophen Eugen Rosenstock-Huessy in einen intensiven Gedankenaustausch zum Thema „Deutschland als Heimat“, aus dem eine Art prophetische Meditation resultiert. Und Daniel Zöllner steuert eine kulturphilosophische Betrachtung zu Europa als Ursprungsort sowie ideengeschichtlichem Entwicklungsraum der Säkularisierung bei. In einem kurzen, aber prägnanten Essay versucht André Thiele, die Realität und die durchaus antibürgerliche Radikalität des Kreuzes als Einbruch einer absoluten Gegenwelt ins Politische zu erfassen. 

Während der Aufsatz von Marc Stegherrs die katholischen Traditionalisten, ein mittlerweile weitgespanntes Netz aus Priesterbruderschaften und Interessengruppen, thematisiert, formuliert Jaklin Chatschadorian eine Fundamentalkritik am christlich-islamischen Dialog. Werden nämlich seitens der offiziellen Politik der Altparteien und der mit ihnen korrespondierenden Leitmedien durchweg die Erfolge dieses Dialogs beschworen, deckt sie Missverständnisse und Falschdarstellungen auf, die bisher noch nirgendwo Eingang in die Berichterstattung gefunden haben.

Im Beitrag von Volker Münz, kirchenpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, wird der „Populismus“ als eine Reaktion auf Krisensymptome der Demokratie beschrieben. Münz bricht eine Lanze für einen wohlverstandenen Populismus, der eine christlich-konservative Politik unterstützen kann. Und Daniel Führing kommt in einer finalen Betrachtung des vielfach auslegbaren Naturrechts zum Ergebnis, dass dieses nicht ohne das Richtmaß der Vernunft zu denken sei. Zuletzt nimmt Weihbischof Athanasius Schneider den Brand der Kirche von Notre-Dame zum Anlass für ein Mahnwort an die deutsche Christenheit, sich den christlichen Glauben mit neuem Ernst persönlich anzueignen und für den Erhalt der christlichen Identität des Abendlandes einzustehen.

Felix Dirsch/ Volker Münz/ Thomas Wawerka (Hg.): „Nation, Europa, Christenheit – Der Glaube zwischen Tradition, Säkularismus und Populismus“, Ares Verlag, Graz 2019, gebunden, 240 Seiten, 19,90 Euro