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15.05.20 / Politisches Klima / Die Spannungen in Europa wachsen / Im Zuge der Corona-Pandemie erinnern die jüngsten Debatten innerhalb der Europäischen Union an unselige Zeiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20 vom 15. Mai 2020

Politisches Klima
Die Spannungen in Europa wachsen
Im Zuge der Corona-Pandemie erinnern die jüngsten Debatten innerhalb der Europäischen Union an unselige Zeiten
Hans Heckel

Die Lockdown-Krise droht die EU und noch mehr den Euro-Raum in eine Zerreißprobe zu treiben. Der Abstand zwischen Deutschland und anderen großen Volkswirtschaften wie Frankreich und Italien könnte durch die Krise so groß werden, dass die Kluft nicht mehr zu überbrücken ist. Valdis Dombrowskis, einer der drei geschäftsführenden Vizepräsidenten der EU-Kommission, nannte es „extrem wichtig“ zu verhindern, dass sich die „wirtschaftlichen, sozialen und politischen Unterschiede zwischen den Ländern und Regionen (der EU) vergrößern“.

In der Praxis heißt das: Wenn es nicht gelingt, den strukturell bedingten Rückstand der genannten Partnerländer gegenüber der Bundesrepublik zu beheben, dann liegt der einzige Ausweg zur Rettung von EU und Euro in der Schwächung Deutschlands. Denn nur so könnten die beklagten Unterschiede in diesem Falle verringert werden. 

Vor diesem Hintergrund erscheint der Widerstand der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gegen bestimmte Maßnahmen der deutschen Politik zur Unterstützung der eigenen Wirtschaft, um Lockdown-Folgen zu mindern, in einem grellen Licht: Sie fürchtet offenbar, dass die Deutschen „zu gut“ durch die Krise kommen. Auch die schmallippige Reaktion von EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Staatsanleihekäufen (siehe PAZ 19/2020) passt da ins Bild. Denn bei Letzterem geht es gegen Milliardentransfers innerhalb der Eurozone, deren Kosten und Risiken maßgeblich von den Deutschen getragen werden.

Hier stellt sich die Kernfrage nach dem Existenzgrund von EU und Euro: Soll mit diesen Instrumenten Europa tatsächlich stärker gemacht werden, wie die Verantwortlichen immerfort behaupten? Oder geht es vielmehr darum, vor allem Deutschland, den „europäischen Giganten“, wie spanische Zeitungen unser Land gemeinhin titulieren, kurzzuhalten?

Die Reaktionen von EZB und aus der EU-Kommission deuten leider auf Letzteres hin. Dies wäre nicht nur gleichsam ein Verrat an den europabegeisterten Deutschen. Es wäre auch antieuropäisch, denn es würde den Kontinent insgesamt schwächen, wenn man sein stärkstes Glied niederzuhalten trachtet. 

Das Gerede vom gemeinsamen Europa entpuppte sich so als getarnte Fortsetzung jener kleinlichen Rivalitäten, die schon 1914 Pate standen für die Selbstzerfleischung des alten Kontinents. Da darf Berlin nicht mitmachen.