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15.05.20 / Lockdown-Folgen / Wirtschaft blickt in den Abgrund / Berlin und Brandenburg: Bereits fast jeder vierte Beschäftigte von Kurzarbeit betroffen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20 vom 15. Mai 2020

Lockdown-Folgen
Wirtschaft blickt in den Abgrund
Berlin und Brandenburg: Bereits fast jeder vierte Beschäftigte von Kurzarbeit betroffen
Norman Hanert

Die Länder Berlin und Brandenburg lockern dieser Tage ihre bislang rigiden Lockdown-Maßnahmen. Für viele Unternehmen kommt das Anfahren des Wirtschaftslebens allerdings zu spät. Vor allem eine Branche steht vor einer breiten Insolvenzwelle.

Neue Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen eindringlich, wie stark das Wirtschaftsleben der Hauptstadtregion unter den Kontakt- und Ausgehbeschränkungen leidet. Laut den kürzlich veröffentlichten Daten waren im März und April insgesamt bis zu 550.000 Menschen – und damit fast jeder vierte Beschäftigte in Berlin und Brandenburg – von Kurzarbeit betroffen. Ein Sprecher der Bundesarbeitsagentur für die Region Berlin-Brandenburg sagte zu diesem hohen Stand der Kurzarbeiterzahlen, dieser übertreffe sogar das Niveau der Finanzkrise von 2008/2009 deutlich.

Derzeit gilt die Gastronomie als die Branche, die besonders extrem unter den Einschränkungen leidet. Zwar haben Restaurants und Imbisse versucht, durch Lieferdienste und Außer-Haus-Verkauf die Umsatzeinbrüche etwas abzufangen, den Wegfall des Kerngeschäfts konnte dies allerdings nicht ersetzen. Als Folge sind in Berlin-Brandenburg inzwischen knapp drei Viertel aller Mitarbeiter der Branche von Kurzarbeit betroffen. Olaf Lücke, der Hauptgeschäftsführer des Brandenburger Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), bezeichnete die Lage insgesamt als „prekär“. 

Krise frisst sich durch die Branchen

Die fehlende Nachfrage von Restaurants, Hotels und Pensionen nach Lebensmitteln schlägt zudem auch immer stärker auf Großmärkte und landwirtschaftliche Betriebe durch, denen die Einnahmen wegbrechen. Als Folge stehen erste Lebensmittelhändler auf dem Berliner Großmarkt an der Beusselstraße vor der Insolvenz.

Wie andere Bundesländer haben Berlin und Brandenburg mittlerweile eine Lockerung der Pandemie-Vorschriften beschlossen. Unter Auflagen und mit Beschränkungen soll in beiden Ländern die Gastronomie schrittweise wieder öffnen. Brandenburg öffnet Kneipen und Restaurants bereits ab dem 15. Mai komplett. Die Berliner Regelung sieht für Restaurants und Cafés vor, dass diese bis 22 Uhr öffnen können. Erlaubt ist jedoch nur eine begrenzte Anzahl von Gästen an den Tischen. Verboten bleibt den Gastronomen zunächst weiterhin die Bewirtung von Gruppen und Stammtischrunden; auch soll es keine Selbstbedienung und keinen Stehbetrieb geben. 

Vorschläge, die der Branchenverband Dehoga dem Senat vorgelegt hat, sehen zudem eine Begrenzung der Aufenthaltsdauer für Gäste auf zwei Stunden und digitale Speisekarten vor, die über das Mobiltelefon kontrolliert werden. Hotels wollen die Länder Berlin und Brandenburg erst ab dem 25. Mai unter strengen Vorschriften die Eröffnung erlauben. Trotz der geplanten Lockerungen rechnet der Hotel- und Gaststättenverband mit weiteren Umsatzeinbußen in der Branche und einer Welle von Pleiten.

Laut Dehoga sind der Branche bis Ende April rund zehn Milliarden Umsatz verloren gegangen. Aktuell steht nach Angaben des Verbandes fast jedes dritte Unternehmen der rund 223.000 Hotel- und Gastronomiebetriebe in Deutschland vor der Insolvenz. Die Notlage vieler Gastwirte, Hoteliers und Unternehmer anderer Branchen ist längst nicht nur an den Kurzarbeiterzahlen ablesbar. Inzwischen brechen auch ganz massiv Steuereinnahmen weg. Besonders alarmierende Zahlen meldet das Land Berlin. 

Steuern: Bis zu 90 Prozent Minus

Im ersten Quartal des Jahres flossen die Steuereinnahmen in der deutschen Hauptstadt noch weitgehend wie üblich. Die Daten für April zeigen jedoch einen drastischen Einbruch. Bei der Gewerbesteuer nahm der Fiskus im Vergleich zum Vorjahresmonat 90 Prozent weniger ein. Bei der Umsatzsteuer betrug das Minus 37 Prozent. Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) geht davon aus, dass sich diese Entwicklung weiter fortsetzt: „Erst im Mai und Juni werden sich die tatsächlichen Auswirkungen der Herabsetzung der Vorauszahlungen bei Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer deutlich zeigen.“ 

Angesichts dieser Entwicklung drängt der Finanzsenator bei den zwölf Berliner Bezirken bereits auf massive Einsparungen. In einem internen Schreiben mahnte Kollatz von den Bezirksbürgermeistern solidarisches Handeln an und forderte sie auf, im laufenden und im kommenden Jahr insgesamt 160 Millionen Euro einzusparen. Der Chefhaushälter Berlins warnte in seinem Schreiben: „Wir stehen vor einer historischen Neuverschuldung.“ Derzeit geht der Senat offenbar davon von aus, dass Berlin fünf Milliarden Euro neue Schulden machen muss. Obwohl bundesweit mittlerweile eine Schuldenbremse gilt, sind den Bundesländern bei außergewöhnlichen Notsituationen wie etwa starken Wirtschaftseinbrüchen Ausnahmen erlaubt.