26.04.2024

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15.05.20 / Kommentar / Ein schiefer Vergleich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20 vom 15. Mai 2020

Kommentar
Ein schiefer Vergleich
Hans Heckel

Die Konferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern am 6. Mai wäre fast im Eklat geendet. Mit den Worten, sie sei „kurz davor, aufzugeben“, hatte Kanzlerin Merkel damit gedroht, aus der Debatte auszusteigen. Damit spiegelt die Diskussion auf höchster nationaler Ebene die gespaltene Atmosphäre wider, die sich hinsichtlich des Lockdown durchs gesamte Volk zieht. 

Zustände wie in Italien?

Kritiker von Lockerungen argumentieren oft mit dem Hinweis auf die teils erschreckenden Entwicklungen in Ländern wie Italien, wo die Krankenhäuser zwischenzeitlich dermaßen überlastet waren, dass sie ältere Patienten mit geringerer Überlebenschance nach Hause schicken mussten. Eine entsetzliche Selektion nach dem Muster der „Triage“, die aus Kriegslazaretten überliefert ist. Ein Drittel der Aussortierten soll danach trotzdem überlebt haben, was darauf hindeutet, dass viele weitere der daheim elend Verstorbenen hätten gerettet werden können, wenn man sie denn behandelt hätte. 

Nur die strengen Lockdown-Maßnahmen hätten Deutschland eine solche Tragödie erspart, heißt es. Und würden sie zu rasch gelockert, könne uns die Katastrophe („zweite Welle“) immer noch heimsuchen.

Diese Schlussfolgerung klingt zwar schlüssig, doch werden hier zwei entscheidende Aspekte übersehen: Zum einen ist es längst bekannt, dass die Ansteckungsrate („Reproduktionszahl“) laut den Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) schon am 20. März, also vor Lockdown und Maskenpflicht, unter Eins gerutscht war. Heißt: Jeder Infizierte steckt weniger als einen weiteren Menschen an, auf dem Höhepunkt waren dies mehr als drei. Eine Reproduktionszahl unter Eins signalisiert das Abflauen einer jeden Infektionswelle. An dieser Zahl hat sich infolge der Sperrmaßnahmen nichts geändert.

Eine Frage der Kapazitäten

Zum anderen war der Hinweis auf Italien, dem Deutschland nach den Horrorprognosen mancher Experten mit einem Abstand von nur ein bis zwei Wochen hinterhergelaufen sei, um dann mit ähnlichen Problemen konfrontiert zu sein, von Anfang an schief. Es kommt bei der Wahl der Mittel eben nicht nur auf das Ausmaß der Herausforderung an, sondern auch auf die zur Verfügung stehenden eigenen Möglichkeiten. 

Das deutsche Gesundheitssystem ist dem italienischen um Längen überlegen, das war schon vor Corona bekannt. In Deutschland standen in allen Phasen der Corona-Welle Behandlungsplätze überreichlich zur Verfügung. Ein Zwang zur „Triage“ war weit und breit nicht in Sicht. 

Ganz anders in Italien, wo daher Isolationsmaßnahmen à la Lockdown durchaus sinnvoll sein konnten, während sie im Falle Deutschlands vor allem einen wirtschaftlichen und sozialen Schaden angerichtet haben, dem kein messbarer, den Schaden rechtfertigender Vorteil beim Gesundheitsschutz gegenübersteht, nicht einmal im Falle der sogenannten Risikogruppen. 

Erkenntnisse aus der Geschichte

Denn Isolation ist das Mittel der Wahl, wenn die medizinischen Möglichkeiten der Herausforderung nicht gewachsen sind, sei es aus Unkenntnis der richtigen Therapie, sei es aus mangelnder Kapazität. Das lehrt auch der Blick in die Geschichte: Als Ende des 19. Jahrhunderts (nach Jahrhunderten irriger Theorien) endlich erforscht war, dass schwere Krankheiten durch Viren und Bakterien übertragen werden, standen die Mediziner vor einem Problem: Jetzt wussten sie zwar, wie die Ansteckung funktioniert, gegen schwere Infektionen hatten sie aber kaum etwas Wirksames in der Hand. 

In dieser Situation setzte man auf die Isolierung der Infizierten. Großkrankenhäuser der damaligen Zeit bestehen aus vielen kleinen, durch Grünflächen getrennten Pavillons.

Die Überlastung des unzureichenden italienischen Gesundheitssystems schlägt sich in der „Übersterblichkeit“ nieder. Für Deutschland dagegen fehlt jeder Hinweis darauf, dass während der Corona-Zeit mehr Menschen gestorben sind als in anderen Frühjahren. Die vermeintlichen „Corona-Toten“  umfassen alle, welche zum Todeszeitpunkt jenes Virus in sich trugen. Selbst ein Verkehrsopfer, das nach seinem Tod positiv auf Corona getestet wurde, erscheint in den täglichen Präsentationen vieler deutscher Medien als zusätzlicher „Corona-Toter“. So werden Schreckenszahlen konstruiert, die ein falsches Bild der Wirklichkeit vermitteln. Damit wurden die Menschen völlig unnötig verängstigt.