25.04.2024

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15.05.20 / Karl Ludwig Sand / Kotzebues fanatisierter Richter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20 vom 15. Mai 2020

Karl Ludwig Sand
Kotzebues fanatisierter Richter
Manuel Ruoff

Viele kennen aus dem Geschichtsunterricht die Karlsbader Beschlüsse. Wenigstens die künstlerisch Interessierten können mit dem Namen des Opfers des Attentats, das den Beschlüssen als Anlass diente, etwas anfangen. Immerhin war August von Kotzebue zu seiner Zeit ein recht erfolgreicher Stückeschreiber. Am unbekanntesten dürfte noch der Täter des Attentats sein: Karl Ludwig Sand. Der vor 225 Jahren, am 5. Oktober 1795, in Wunsiedel geborene Juristensohn war offenkundig ein sehr ernster, tugendhafter, tiefreligiöser, gewissenhafter Idealist mit einem Hang zum Fanatismus. War er zu einer Auffassung gelangt, so soll dem weder mit Fakten noch mit Argumenten leicht beizukommen gewesen sein. 

Während des Studiums der protestantischen Theologie fand der Patriot zu den sogenannten Unbedingten, dem radikalen Flügel der Burschenschaft, der auch vor der Tötung des politischen Gegners nicht zurückschreckte. Analog zu Martin Luthers Priestertum aller Gläubigen glaubte Sand an ein Richtertum aller Gerechten. Als Legitimation für das von ihm für sich in Anspruch genommene Recht zu richten, betrachtete der Gewissenhafte sein Gewissen. 

Zum Ziel seines Anschlags machte Sand Kotzebue. Der Reaktionär und Zuträger der russischen Autokratie war bei der nationalliberalen Studentenschaft verhasst wie kaum ein anderer. Sand war dabei, als bei der Bücherverbrennung beim Wartburgfest auch Kotzebues „Geschichte des deutschen Reichs“ in Flammen aufging. Systematisch bereitete er sich auf Kotzebues Liquidierung vor. Er besuchte anatomische Vorlesungen, beschaffte sich Waffen und trat aus der geliebten Burschenschaft aus, um diese nicht zu belasten. 

Am 23. Mai 1819 besuchte Sand Kotzebue unter einem Vorwand und erstach ihn. Auch bei der Tat selbst ging Sand planvoll vor. Einen Dolch rammte er in das Gesicht seines Opfers, damit dieses die Hände zum Kopf hochriss, um dann mit einem kleinen Schwert in den ungeschützten Korpus einzudringen.

Dass Kotzebues vierjähriger Sohn überraschend Zeuge wurde, widersprach allerdings Sands Planung, denn dem auch in seinen Augen unschuldigen Kind hatte er kein Leid antun wollen. Sand versuchte sich umzubringen, doch der Versuch misslang. Ohne Widerstand ließ er sich festnehmen und den Prozess über sich ergehen. Ein Gnadengesuch lehnte er ab, denn er bereute die Tötung Kotzebues nicht. Vor 200 Jahren, am 20. Mai 1820, wurde Karl Ludwig Sand geköpft.