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15.05.20 / „Tracking“ / Die Furcht vor dem Spitzelstaat / Beim Aufspüren von Infektionsketten soll eine Handy-App helfen. Doch was bringt die überhaupt? Und wem nützt sie wirklich?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20 vom 15. Mai 2020

„Tracking“
Die Furcht vor dem Spitzelstaat
Beim Aufspüren von Infektionsketten soll eine Handy-App helfen. Doch was bringt die überhaupt? Und wem nützt sie wirklich?
Wolfgang Kaufmann

Im Kampf gegen das Coronavirus setzen derzeit viele Regierungen auf die Überwachung von Bewegungsmustern und zwischenmenschlichen Kontakten per Smartphone, also das sogenannte Tracking. Dadurch sollen Infektionsketten schneller erkannt und unterbrochen werden, was oftmals als Voraussetzung für eine Rücknahme der bestehenden Einschränkungen genannt wird.

Kontakte werden gemeldet

Hierbei kommen zwei verschiedene Systeme zum Einsatz: Das eine basiert auf  dem Vergleich von Standortdaten, welche das satellitengestützte Globale Positionsbestimmungssystem GPS liefert, das andere greift auf Bluetooth-Signale zur Datenübertragung zwischen mobilen Geräten wie Handys über kürzere Distanzen zurück. In beiden Fällen soll die Technik Annäherungen zwischen den Smartphone-Trägern erkennen und speichern, womit sich dann im Falle der Infektion eines Menschen schnell alle Kontaktpersonen desselben identifizieren ließen.

Die Regierungschefs von Bund und Ländern haben sich Mitte April dafür entschieden, bei der technologischen Seuchenbekämpfung die auf Bluetooth beruhende Basistechnologie Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing (Gesamteuropäische Datenschutzbewahrende Annäherungsverfolgung) kurz PEPP-PT zu verwenden. Mit der werden zwar die Kontakte erfasst, aber nicht ermittelt, wo diese stattfinden.

Die technischen Hürden bei diesem Verfahren sind allerdings relativ hoch: Wie soll beispielsweise unterschieden werden, ob sich ein Infizierter beim 

Einkaufen in der Nähe anderer Personen befand oder ob zwei Handybesitzer in verschiedenen Räumen eines Gebäudes weilten und überhaupt keinen physischen Kontakt hatten? Darüber hinaus dürfte es auch Verknüpfungsprobleme zwischen den Smartphones verschiedener Hersteller geben.

Und dann sind da noch die Datensicherheit und der Datenschutz. Die Bluetooth-Technologie bietet jede Menge 

Einfallstore für Hacker-Attacken auf die Geräte, welche sich Cyber-Kriminelle zunutze machen könnten. Darüber hinaus wären die Sicherheitsbehörden auch in der Lage, herauszufinden, wer sich wann mit wem getroffen hat. Ein Albtraum für jeden, der staatliche Bespitzelung befürchtet.

Google und Apple auffallend emsig

Mit Blick auf die Bedenken von Datenschützern und Bürgerrechtlern verabschiedete sich die Bundesregierung mittlerweile von dem Vorhaben, die per Corona-Handy-App erhobenen Daten zentral zu speichern. Doch die nun favorisierte dezentrale Lösung birgt ebenso Gefahren, denn irgendwo müssen Informationen ja letztlich doch zusammengeführt werden. Stutzig macht zudem der Eifer der US-Firmen Google und Apple, bei der Entwicklung von Tracking-Apps mitzumischen. Was versprechen sich die beiden notorischen Datensammler davon? Uneigennützigkeit mag den hochprofitablen Weltkonzernen niemand so recht abkaufen.

Aufgrund all dieser Gegebenheiten ist die Akzeptanz der Corona-Bekämpfung mittels Handy nicht sonderlich hoch. Zwar ergaben entsprechende Meinungsumfragen unter Bundesbürgern recht unterschiedliche Werte von drei bis 56 Prozent Zustimmung, aber wenn die Tracking-App wirklich ihren Zweck erfüllen soll, müssten mindestens 60 Prozent der Bevölkerung diese installieren.