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15.05.20 / Östlich von Oder und NeißE / „Wir sehnen uns nach offenen Grenzen“ / Gemeinsame Feierstunde am geschlossenen Zaun – Pendler dürfen wieder ohne Quarantäne einreisen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20 vom 15. Mai 2020

Östlich von Oder und NeißE
„Wir sehnen uns nach offenen Grenzen“
Gemeinsame Feierstunde am geschlossenen Zaun – Pendler dürfen wieder ohne Quarantäne einreisen
Chris W. Wagner

Cezary Przybylski, Marschall der Woiwodschaft Niederschlesien, und Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, haben im geteilten Görlitz des Endes des Zweiten Weltkrieges gedacht.

Bedrückende Atmosphäre

Ort der Begegnung war die Altstadtbrücke, die zurzeit provisorisch wieder durch einen Grenzzaun abgeriegelt ist. Die bedrückende Atmosphäre war nicht nur durch den Anlass der Begegnung und den Grenzzaun charakterisiert. Auch waren die Gesichter der Vertreter der Regierungen, Kirchen und der Stadt Corona-bedingt verdeckt. „Gerade die aktuellen Grenzschließungen hier bei uns mitten in Europa zeigen, wie stark wir bereits zusammengewachsen und wie eng die Verflechtungen im Alltag der Menschen über Grenzen hinweg sind. Es ist gut, dass wir zusammenstehen und uns gegenseitig helfen – jetzt und in Zukunft“, so Michael Kretschmer. 

Die guten nachbarschaftlichen Beziehungen, Freundschaften und die Zusammenarbeit, zu denen mehrere Nachkriegsgenerationen an beiden Neißeufern beitrugen, wurden in den Reden des mit weißen und roten Rosen verzierten Grenzzauns wiederholt betont. „Die 75 weiß-roten Rosen sollen den langen Weg zur Versöhnung und Vergebung symbolisieren. Sie sind aber auch ein Zeichen der Sehnsucht nach einer offenen Grenze“, so der polnische Bürgermeister von von Görlitz‘ Oststadt [Zgorzelec], Rafal Gronicz.

Vor wenigen Wochen standen an gleicher Stelle auf beiden Seiten des Grenzzaunes etwa 400 polnische Pendler, die gegen die Grenzschließung protestierten (siehe auch PAZ Nr. 18).

Pendlerproteste waren erfolgreich

Seit dem 4. Mai dürfen polnische Arbeitnehmer, die in Tschechien oder Deutschland arbeiten, wieder nach Polen zurückfahren, ohne zwei Wochen in Quarantäne zu müssen. Diese Lockerung haben sich die protestierenden polnischen Pendler erkämpft.

„Ich habe eine gute Nachricht für alle Arbeiter und Schüler, die in unseren Nachbarländern arbeiten oder lernen. Also in Deutschland, Litauen, der Slowakei und in Tschechien“, schrieb Premierminister Mateusz Morawiecki am 30. April im Internet auf seiner Facebook-Seite. 

An den Grenzübergängen müssen Pendler nun nachweisen, dass sie im Ausland arbeiten oder lernen. Wie viele von ihnen bereits auf gepackten Koffern saßen, zeigten die Staus an den Grenzen. Bereits am Montag, dem Tag der Lockerung für Pendler, sei der Grenzverkehr um 30 bis 40 Prozent angestiegen, berichtete die Tageszeitung „Nowa Trybuna Opolska“ („NTO“) aus Oppeln. Mit Problemen an den Grenzen müssten jedoch Familien mit Kleinkindern rechnen. Auch wenn die Eltern bescheinigen könnten, dass sie im Ausland arbeiten, müssten ihre Kinder trotzdem in Quarantäne. Kinder auf die Reise nach Polen mitzunehmen, sei keine gute Idee, sagte Joanna Konieczniak, Sprecherin des Oder-Grenzschutzes gegenüber der „NTO“.

Reisen mit Kindern nicht empfohlen

Wanderer entlang der Grenze zu Tschechien auf dem Sudetenkamm oder im Altvatergebirge müssten mit einer Warn-SMS des polnischen Regierungszentrums für Sicherheit rechnen. „Der Haus-Quarantäne unterliegen jedoch nur Personen, die auch tatsächlich die Grenze passiert haben. Die Warnung per Mobiltelefon ist eine Ergänzung zu den Grenzübertrittsprozeduren und ist als Erinnerung und Hilfestellung zu verstehen. Wer die Grenze nicht passiert hat, kann diese SMS ignorieren“, stellte Anna Adamkiewicz, Chefin des Amtes Informationspolitik des Regierungszentrums für Sicherheit, die Lage dar. Ein Unwohlsein dürfte bei Empfängern dennoch bleiben, denn „Big Brother“ ist auch in Polen „watching you“, und wer weiß, ob sich alle Stellen auch künftig in dieser Bewertung der Rechtslage einig sein werden.