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15.05.20 / Konfirmation in Corona Zeiten 2020 und Notkonfirmation 1945

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20 vom 15. Mai 2020

Konfirmation in Corona Zeiten 2020 und Notkonfirmation 1945
Brigitte Klesczewski

Am 26. April 2020 wäre nicht nur in Braunschweig, sondern an vielen anderen Orten Konfirmation gewesen. Am Tag darauf konnten die Braunschweiger in ihrer Zeitung lesen, dass ein Pfarrer seine Jugendlichen mit Hilfe der Eltern „online“ konfirmiert hatte. Er gestaltete den Gottesdienst in der Kirche. Schick gekleidet saß der Konfirmand mit seinen Eltern vor dem Laptop. Es wurde ihnen aber versprochen, wenn das Leben sich wieder normalisiert hätte, den Festgottesdienst in der Kirche nachzuholen.  

Die Notkonfirmation der Jahrgänge 1930/31 dagegen in Stettin-Hökendorf sollte der letzte Festgottesdienst mit vollem Gemeindegesang und Abendmahl in der alten Dorfkirche am 18. Februar 1945 werden. In den ersten Tagen des Februars hatte Pastor Reimer geraten, die Konfirmation vorzuverlegen, denn am 30. Januar 1945 hatte die Rote Armee die Oder zwischen Frankfurt/Oder und Küstrin erreicht. Um Pyritz, das nur 48 Kilometer von Stettin entfernt lag, begannen die heftigsten Abwehrkämpfe.

In den Januarwochen, als sich der Ort Hökendorf durch Schippen von Panzergräben am Buchheiderand und Straßensperren auf ein eventuelles Kriegsgeschehen vorbereitete, hofften einige Dorfbewohner immer noch auf die Wunderwaffe, andere stürzten sich mit aller Kraft auf die Vorbereitung zur Konfirmation und nur wenige packten lebensnotwendige Sachen zusammen. Derweil halfen die Konfirmanden freiwillig bei der seit Mitte Januar durchgeführten Verpflegung der Trecks aus Ost- und Westpreußen und beim Schippen der Panzergräben mit.

Am 18. Februar fand ich mich mit meinen Altersgenossen verkleidet, als wir uns an der Kirche mit dem Gesangbuch in der Hand einfanden. Die Mädchen hatten noch ein Spitzentaschentuch mit Myrtensträußchen auf dem Buch liegen. Unsere Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt. Wir, die Konfirmanden, schritten durch die Hökendorfer wie durch einen schwarzen Tunnel. Die vier für uns freigelassenen Reihen vor dem Altar wirkten wie eine Insel, und vielleicht zum ersten Mal kam das Gefühl auf: „Erwachsenwerden kann auch weh tun.“ 

Nach dem Gottesdienst entdeckten wir zu unserem großen Schrecken den ersten Treckwagen aus Kolow. Die bange Frage: „Wann geht es bei uns los“, wurde jetzt schon laut geflüstert.

Zur Konfirmation wurden damals Blumentöpfe, Sammeltassen und goldene Uhren verschenkt. Am Ende des Krieges waren die Uhren oft Erbstücke von den Großeltern. Meiner Mutter war das Feiern vergangen. Sie wollte meine Konfirmation in ruhigeren Zeiten nachfeiern. So besuchte ich meine Schulkameradinnen und feierte mit ihnen ihre Konfirmation. Oft waren die Väter eingezogen, dafür feierte die Einquartierung mit.

Inzwischen sind 75 Jahre vergangen. Stettin-Hökendorf heißt jetzt Kleskowa und besitzt 3 Kirchen. Unsere Kirche thront ohne Turm immer noch etwas erhöht über der Dorfmitte, wurde aber zu einem Anhängsel einer großen, prächtig ausgestatteten Kirche mit einer Orgel aus dem Rheinland. 

Während unserer Flüchtlingszeit haben wir das Bitten um das tägliche Brot gelernt.  Und heute im Alter können wir mit den Freunden aus jener Zeit über alles reden, was uns Mut macht und Halt gibt. 

Bei den von 1979-2017 stattgefundenen Hökendorfer Treffen in Braunschweig und später in Stettin-Hökendorf waren es diese Konfirmanden, die aktiv an Organisation und Gestaltung beteiligt waren.

Ausschnitt aus dem Gedenkblatt zur Konfirmation.