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15.05.20 / Gesellschaft / Nachteile der Digitalisierung / Der Wirtschaftsjournalist Daniel Goffart sieht die Zukunft Deutschlands und insbesondere der Mittelschicht in Gefahr

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20 vom 15. Mai 2020

Gesellschaft
Nachteile der Digitalisierung
Der Wirtschaftsjournalist Daniel Goffart sieht die Zukunft Deutschlands und insbesondere der Mittelschicht in Gefahr
Dirk Klose

Wir stehen am Beginn der digitalen Epoche und wollen nicht wahrhaben, dass es die Welt, wie wir sie kannten, in wenigen Jahren nicht mehr geben wird.“ Mit diesem Paukenschlag leitet Daniel Goffart, Chefkorrespondent des Magazins „Focus“, sein Buch ein. Zwar geht es nicht ganz so schrill weiter, aber die Fakten und Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft, wie sie der Autor aufzeigt, sind alarmierend genug.

Das Wirtschaftswunder, so Goffart, entstand durch Fleiß, Sparsamkeit und Ordnungsliebe einer breiten Mittelschicht. Sie erarbeitete sich einen gewissen Wohlstand, wusste Arbeitsplätze und spätere Renten gesichert und ermöglichte ihren Kindern eine gute Ausbildung. Dieses „deutsche Erfolgsmodell“ endete in den 1980er Jahren, als mit der beginnenden Globalisierung weltweite Wirtschaftskreisläufe und finanzstarke Konzerne entstanden. Heute sei die Mittelschicht ärmer und zahlenmäßig kleiner geworden. Einige wenige seien aufgestiegen, sehr viele aber nahezu in die Bedürftigkeit abgerutscht. 

Vollends wurden, so der Autor weiter, die Verhältnisse durch die rasante Digitalisierung aller Lebensbereiche zum Schlechteren revolutioniert. Goffart greift die „von nacktem Finanzinteresse“ geleiteten Hightech-Konzerne Apple, Google, Facebook und Amazon heftig an, die skrupellos eigenes über jedes staatliche Recht stellten, traditionelle Beschäftigungsstrukturen zerstörten und mit weltweiten Dumpingpreisen Arbeitslosigkeit und Armut Vorschub leisteten. Der deutschen Politik hält Goffart vor, darauf zu spät und viel zu zögerlich reagiert zu haben. Jetzt sei ein „neues Denken und entschlossene Gegenwehr nötig“, andernfalls drohe auch eine Gefährdung der Demokratie. 

Was hier nur summarisch wiedergegeben ist, wird unter Bezug auf viele Quellen aus Politik und Wissenschaft solide, aber in großer Sorge um die Zukunft unseres Landes ausgebreitet. Der Leser spürt: Das geht mich unmittelbar an. Da kann auch das am Ende stehende Interview mit Arbeitsminister Hubertus Heil, der sich naturgemäß zuversichtlicher zeigt, nicht recht beruhigen. 

Das Buch stand 2019 auf der Shortlist des Deutschen Wirtschaftsbuchpreises. Dessen Kriterien sind unter anderem Lesbarkeit und Verständlichkeit. Beides trifft hier in hohem Maße zu. Nachgedacht, so könnte man resümieren, wurde eigentlich inzwischen genug, jetzt müsste gehandelt werden. Die Corona-Krise zeigt, dass der Staat zu entschlossenem Handeln durchaus in der Lage ist. Könnte das nicht anhalten und weitergehen? 

Daniel Goffart: „Das Ende der Mittelschicht. Abschied von einem deutschen Erfolgsmodell“, Berlin Verlag im Piper Verlag, München 2019, gebunden, 400 Seiten, 22 Euro