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22.05.20 / Staatsfinanzen / Schlimmer als „Corona-Bonds“ / Der zweifelhafte Vorschlag Angela Merkels und Emmanuel Macrons zur wirtschaftlichen Erholung Europas nach der Pandemie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21 vom 22. Mai 2020

Staatsfinanzen
Schlimmer als „Corona-Bonds“
Der zweifelhafte Vorschlag Angela Merkels und Emmanuel Macrons zur wirtschaftlichen Erholung Europas nach der Pandemie
René Nehring

Ist das der nächste fundamentale Kurswechsel der Kanzlerin? Am Montag verkündeten Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron, eine Initiative „zur wirtschaftlichen Erholung Europas nach der Corona-Krise“. Konkret schlagen beide vor, dass die Europäische Union an den Finanzmärkten 500 Milliarden Euro aufnimmt, um damit einen Fonds für die am stärksten von der Pandemie betroffenen Sektoren und Regionen einzurichten. 

Anders als bisherige Maßnahmen für notleidende Staatshaushalte in der EU und in der Euro-Zone sollen die Mittel dieses Fonds nicht als Kredite ausgereicht werden, sondern als nicht zurückzuzahlender Zuschuss. Damit behandeln die Regierungschefs die Corona-Pandemie wie eine ökonomische Naturkatastrophe, bei der die betroffenen Volkswirtschaften ohne eigenes Verschulden notleidend geworden sind. Tatsächlich – das sei ohne jede Häme erwähnt – pochen jedoch wieder einmal Länder auf eine „europäische Lösung“, die seit vielen Jahren ihre Finanzen nicht in den Griff bekommen und bei jeder Gelegenheit auf eine „Vergemeinschaftung der Schulden“ drängen. 

Bis dato hatte die Kanzlerin allen entsprechenden Vorschlägen – zuletzt unter dem Schlagwort „Corona-Bonds“ – eine Absage erteilt. Merkel konnte sich diese scheinbare Härte leisten, da die betroffenen Länder mit dem Staatsanleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) auch so immer noch an Geld gekommen waren. Doch nachdem das Bundesverfassungsgericht die EZB-Praxis vor zwei Wochen als EU-Rechtswidrig bewertete, ist dieser Finanzierungsweg höchst unsicher geworden. Ob der Vorschlag Merkels und Macrons mit der Karlsruher Entscheidung zusammenhängt, kann nur spekuliert werden. Die zeitliche Nähe gibt jedenfalls zu denken. 

Mehr als fraglich ist auch, ob das Verfassungsgericht, das zweifelsohne angerufen werden dürfte, dem Vorschlag seinen Segen erteilen wird. Denn die geplante Finanzierung des Fonds über eine Anleihe verstößt gegen das in den EU-Verträgen verankerte Verschuldungsverbot für die Gemeinschaft. 

Sollte es jedoch tatsächlich zur Einrichtung des Fonds kommen, dürfte er sich weit verheerender auswirken, als es „Corona-Bonds“ jemals getan hätten. Denn diese sahen immerhin noch theoretisch vor, dass das geliehene Geld irgendwann zurückgezahlt wird. Wenn 500 Milliarden Euro als Zuschuss verschenkt werden, ergibt Haushaltsdisziplin für niemanden einen Sinn mehr.