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22.05.20 / Finanzgebaren Die Deutschen nutzen die niedrigen Zinsen nicht zu verstärktem Konsum auf Pump. Sie bleiben sparsam. In den ohnehin verschuldungsfreudigen USA entsteht hingegen eine gefährliche Schuldenblase / Das süße Gift der niedrigen Zinsen / Wie in den USA nimmt auch anderswo der Hang zur privaten Verschuldung zu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21 vom 22. Mai 2020

Finanzgebaren Die Deutschen nutzen die niedrigen Zinsen nicht zu verstärktem Konsum auf Pump. Sie bleiben sparsam. In den ohnehin verschuldungsfreudigen USA entsteht hingegen eine gefährliche Schuldenblase
Das süße Gift der niedrigen Zinsen
Wie in den USA nimmt auch anderswo der Hang zur privaten Verschuldung zu
Wolfgang Kaufmann

In Zeiten billigen Geldes – so wie heute – steigt die Bereitschaft der Menschen, Schulden zu machen. Führend hierbei sind die Bürger der USA. Kredite aufzunehmen, um die Lücke zwischen dem Einkommen und den Ausgaben zu schließen, ist „genauso amerikanisch wie Apfelkuchen“, schrieben die Analysten des Finanzdienstleisters NerdWallet unlängst. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass die US-Bürger „Konsumzombies“ sind, wie es der Oldenburger Vermögensberater Ingo Asalla sarkastisch formulierte. 

Andererseits halten sie damit die globale Wirtschaft am Laufen, denn der private Verbrauch der Amerikaner macht immerhin 17 Prozent des jährlichen Bruttoweltproduktes (BWP) von zuletzt 86,6 Billionen US-Dollar aus. Dahingegen liegt der Anteil der chinesischen Volkswirtschaft am BWP nur bei 16 Prozent.

Durch die allgemeine Niedrigzinspolitik nimmt der Hang zur privaten Verschuldung nun auch in anderen Ländern zu. Doch gilt das gleichermaßen für die Bundesrepublik? Gibt es hierzulande vielleicht gar einen spürbaren Kulturbruch im Umgang mit Geld, also quasi eine „Amerikanisierung“ des Finanzgebarens?

Wenn man die Kreditaufnahmen in Relation zum durchschnittlich verfügbaren Haushaltseinkommen setzt, dann stehen in Europa momentan Großbritannien, Frankreich und Spanien an der Spitze der Verschuldungs-Rangliste. Das resultiert nicht zuletzt daraus, dass die Banken hier anders als in Deutschland immer noch recht großzügig Immobilienkredite vergeben, weil sie von weiteren kontinuierlichen Wertzuwächsen bei den Häusern und Grundstücken ausgehen.

US-Bürger sind „Konsumzombies“

In der Bundesrepublik hingegen sank die Verschuldungsquote im Unterschied zu Großbritannien, Frankreich und Spanien. Und das, obwohl sich viele Deutsche permanent am finanziellen Limit bewegen. Laut einer Untersuchung des Marktforschungsinstitutes Splendid Research von Anfang 2020 haben 34 Prozent der Bundesbürger keine 500 Euro auf der hohen Kante, um beispielsweise einen neuen Kühlschrank oder eine neue Waschmaschine zu kaufen, wenn das alte Gerät plötzlich den Geist aufgibt.

Aufgrund der vergleichsweise geringen Kreditaufnahme liegt die Höhe aller privaten Schulden in der Bundesrepublik nur bei 53 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, nachdem es vor 20 Jahren noch 70 Prozent waren. Derweil kommt man in Frankreich jetzt beispielsweise auf über 60 Prozent. Schlusslicht unter den Schuldenmachern in der EU sind indes nicht die Deutschen, sondern die Italiener mit 41 Prozent. Allerdings haben diese die größten Probleme, ihre Kredite zu tilgen.

Aufschlussreich ist zudem eine Untersuchung des Finanzdienstleisters EOS im Hinblick auf die unterschiedlichen Schuldner-Typen in den Industriestaaten. So sind 45 Prozent der Deutschen konsequente Schuldenvermeider und weitere 36 Prozent haben sich nur deshalb Geld geliehen, um eine Immobilie zu finanzieren. Dazu kommen sieben Prozent Gelegenheitsschuldner. Sorglose oder gar „Schuldenjunkies“ machen hierzulande lediglich fünf beziehungsweise sieben Prozent aus. 

Dahingegen finden sich in den Vereinigten Staaten 15 Prozent Schuldensüchtige und weitere 29 Prozent, die ohne jedwede Bedenken Kredite aufnehmen. Deshalb liegt in der Bundesrepublik die Höhe der durchschnittlichen Verschuldung pro Haushalt in Relation zum verfügbaren Einkommen im Vergleich zu den USA auch deutlich niedriger. Sie beträgt momentan nur rund ein Viertel des US-Wertes. Von einer „Amerikanisierung“ des Finanzgebarens der Bundesbürger kann also keine Rede sein.





Kurzporträts

Nach Ansicht von Torsten Slok, Chefökonom von Deutsche Bank Securities, waren viele US-Bürger schon vor der Corona-Krise deutlich überschuldet

Klaus Engberding, Vorsitzender der Geschäftsführung der EOS Gruppe, attestiert den Deutschen eine relativ geringe Bereitschaft zur Verschuldung

Für den Oldenburger Vermögensberater Ingo Asalla sind die US-Amerikaner systematisch zu „Konsumzombies“ und blinden Schuldenmachern erzogen worden