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22.05.20 / Der Blick geht nach oben / In Würzburg wurde vor 300 Jahren der Grundstein der Barockresidenz gelegt – Gefeiert wird erst 2021

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21 vom 22. Mai 2020

Der Blick geht nach oben
In Würzburg wurde vor 300 Jahren der Grundstein der Barockresidenz gelegt – Gefeiert wird erst 2021
Veit-Marion Thiede

Am 22. Mai 1720 vollzog Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn eine denkwürdige Zeremonie: Er legte den Grundstein zur Würzburger Residenz. Bis zu ihrer Vollendung vergingen 61 Jahre, während derer sieben Fürstbischöfe den Kleinstaat regierten. Der verfügte nun über eine der prunkvollsten Residenzen Europas. Sie ist das Gemeinschaftswerk führender Architekten und berühmter Künstler. 

Als außergewöhnliches spätbarockes Gesamtkunstwerk ist das Bauwerk mitsamt Hofgarten und Residenzplatz in die UNESCO-Welterbeliste eingeschrieben. „Einzigartig durch ihre Originalität, ihr ehrgeiziges Bauprogramm und die internationale Zusammensetzung des Baubüros“, so die Begründung.

Die fürstbischöfliche Ära der imposanten Anlage endete bereits 1803. Dafür sorgte der Reichsdeputationshauptschluss, der alle geistlichen Fürstentümer und somit auch die weltliche Macht der Bischöfe aufhob. Einige Jahre später besichtigte Napoleon den ehemaligen fürstbischöflichen Amtssitz. Er bezeichnete ihn beeindruckt, aber spöttisch als „Europas größtes Pfarrhaus“. Beim Bombenangriff auf Würzburg am 16. März 1945 brannten die Seitenflügel und Teile des Mittelbaus aus. Erhalten blieben die rechtzeitig ausgelagerten beweglichen Teile der Innenausstattung. Für die über 40 Jahre dauernde Instandsetzung des Bauwerks sorgte der Freistaat Bayern.

Auf 4600 Quadratmetern sind über 300 Räume wiederhergestellt, die von unterschiedlichen staatlichen Einrichtungen genutzt werden. Die 40 glanzvollsten Räume laden zum Rundgang ein. Architektonischer Höhepunkt ist die dreiläufige Treppenanlage, die in die Prunksäle des Obergeschosses führt. Sie ist mit ihrem stützenlosen Gewölbe, das eine Scheitelhöhe von 23 Metern aufweist, Balthasar Neumanns Meisterwerk. Er war bis zu seinem Tod 1753 Bauleiter des Großprojektes. Zudem trugen der kurmainzische Baudirektor Maximilian von Welsch, die königlich französischen Architekten Robert de Cotte und Germain Boffrand sowie der in Wien als kaiserlicher Hofbaumeister amtierende Johann Lucas von Hildebrandt Baupläne bei.

Von Bomben schwer getroffen

Der berühmte venezianische Maler Giovanni Battista Tiepolo stattete Neumanns Treppenhaus 1752/53 mit dem weltweit größten einteiligen Deckenfresko aus. Es zeigt auf 600 Quadratmetern den Aufgang der Sonne über der Welt, die als weibliche Allegorien mit Gefolge in Erscheinung tritt. „Amerika“ reitet auf einem Krokodil, „Afrika“ auf einem Dromedar, „Asia“ auf einem Elefanten. „Europa“ wird vertreten durch den Würzburger Hof, der sich als Hort der Künste und Wissenschaften präsentiert. Über ihm schwebt das Porträtmedaillon des Freskenstifters: Fürstbischof Karl Philipp von Greiffenclau. Am wolkigen Himmel, der die größte Fläche des Deckengemäldes beansprucht, erscheint Sonnengott Apoll in einer Strahlengloriole.

Apoll begegnet uns im Kaisersaal wieder. Tiepolos 1751 ausgeführtes Deckenfresko zeigt ihn im Sonnenwagen. Er geleitet die kaiserliche Braut zur Personifikation des Heiligen Römischen Reiches. An deren Thron sehen wir Figuren, die die christliche Religion und Franken verkörpern. Den Reichtum des Landes versinnbildlichen Fruchtbarkeitsgöttin Ceres und Weingott Bacchus. 

Der am Bildrand sitzende Flussgott macht Anstalten, sich im Kaisersaal zu materialisieren. Sein linker Fuß ist nämlich nicht etwa gemalt, sondern von Antonio Bossi plastisch aus Stuck geformt. Überdies hat er die Wände mit vergoldeter Stuckornamentik üppig ausgeschmückt. Auch im Weißen Saal und im rekonstruierten Spiegelkabinett erweist sich Bossi mit seinen Figuren, Masken, Ranken und Muschelformen als genialer Stuckateur und Mitschöpfer des berühmten „Würzburger Rokoko“.

Letzte Station des Rundgangs ist die 1743 von Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn geweihte Hofkirche. Der rechteckige Raum ist wegen der in ihm verteilten Säulenstellungen, geschwungenen Emporen und drei ovalen Gewölbekuppeln äußerst kurvenreich. Dank der raffinierten Raumstruktur und des hohen Ranges der Dekoration gilt die Hofkirche als einer der vollkommensten deutschen Sakralbauten des 18. Jahrhunderts. Sie veranschaulicht mit Altargemälden Tiepolos, Marmorskulpturen Johann van der Auweras sowie Stuckarbeiten von Antonio und Materno Bossi aufs Schönste, was die Residenz auch sonst auszeichnet, nämlich das harmonische Zusammenwirken vieler Künstler.

Die Bayerische Schlösserverwaltung hatte anlässlich des 300. Jahrestages der Grundsteinlegung ein Festprogramm geplant. Es fällt der Corona-Pandemie zum Opfer. Voraussichtlich darf die Jubilarin noch bis zum 29. Mai keine Besucher empfangen, und die ursprünglich am 

22. und 23. Mai vorgesehenen „Residenznächte“ sind auf den 14. und 15. Mai kommenden Jahres verschoben.