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22.05.20 / Schleswig-Holstein / Der Norden macht sich locker / Das nördlichste Bundesland hat die Pandemie relativ gut überstanden und wartet jetzt auf Touristen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21 vom 22. Mai 2020

Schleswig-Holstein
Der Norden macht sich locker
Das nördlichste Bundesland hat die Pandemie relativ gut überstanden und wartet jetzt auf Touristen
Andreas Guballa

Im Kampf gegen das Coronavirus ist Schleswig-Holstein nicht nur auf der Landkarte ganz oben. Gemessen an der Einwohnerzahl haben sich im nördlichsten Bundesland seit Ausbruch der Pandemie so wenig Menschen mit dem Virus infiziert wie in kaum einem anderen. Das geht aus Daten des Robert-Koch-Instituts in Berlin hervor. Mit nur 125 Todesfällen schneidet Schleswig-Holstein im Ländervergleich ebenfalls gut ab.

Woran liegt es, dass Schleswig-Holstein trotz manch größerer Ausbrüche wie in einem Pflegeheim bei Bad Oldesloe oder jetzt in einem Schlachthof in Bad Bramstedt relativ wenig vom Virus betroffen ist? 

Eine Rolle spielt vermutlich die norddeutsche Zurückhaltung. „Die Schleswig-Holsteiner sind eher artig und nicht bockig. Die Kultur der Corona-Partys ist hier nicht etabliert“, so der Kieler Gesundheitsminister Heiner Garg. Der FDP-Politiker lobt die Vernunft der Menschen: „Die Disziplin ist so groß, dass man jetzt gewisse Lockerungen ausprobieren kann.“

So haben die Schleswig-Holsteiner beispielsweise am ersten Tag der Wiedereröffnung der Geschäfte mit mehr als 

800 Quadratmetern nur verhalten von ihren neuen Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Nach Polizeiangaben haben sich die Menschen überwiegend an die Lockdown-Beschränkungen gehalten. 

Für den Gesundheitsminister hat Schleswig-Holstein die Corona-Krise bisher vergleichsweise gut überstanden. Das könnte an der Zusammenarbeit der Gesundheitsämter mit den Ärzten vor Ort liegen. Das sogenannte ambulante Monitoring sei ein entscheidender Baustein dafür, dass Schleswig-Holstein im Vergleich zu anderen Bundesländern bisher „halbwegs vernünftig“ durch die Corona-Krise gekommen sei. 

Nicht zuletzt aber habe das Land einfach „Glück gehabt“, dass das Infektionsgeschehen von Anfang an nicht so stark war: „Wir hatten hier eben keine Skiferien“, sagt Garg. Viele andere Deutsche haben sich im März im österreichischen Skiort Ischgl angesteckt.

Aber er räumt auch ein, dass Schleswig-Holstein von der geografischen Lage profitiert hat. „Wir waren weit weg vom Geschehen und hatten mehr Zeit als andere Länder, um uns vorzubereiten.“ Wäre das Virus aus Dänemark und nicht aus Italien und Österreich eingeschleppt worden, „hätten wir hier ein anderes Geschehen“. Zudem gebe es im Land „keine großen Ballungszentren“, die eine Ausbreitung des Virus begünstigen. 

Musikfestival bleibt abgesagt

Mit Augenmaß macht sich Schleswig-Holstein auch in den kommenden Wochen mit weiteren Maßnahmen locker. Während in anderen Bundesländern Gastronomiebetriebe bereits seit der zweiten Maiwoche wieder offen sind, ist dies nördlich der Elbe erst ab dem 18. Mai der Fall. Dann dürfen Hotels, Ferienwohnungen, Restaurants und Cafés unter Auflagen wieder öffnen. Auch das Einreiseverbot für Auswärtige entfällt dann – dies gilt auch für die Inseln und Halligen. Im Tourismusland Schleswig-Holstein wurde der Fremdenverkehr seit Mitte März praktisch auf Null heruntergefahren. Allerdings schließt Tourismusminister Bernd Buchholz (FDP) Zugangsbeschränkungen an beliebten Ferienorten nicht aus. 

Nicht viel Hoffnung dürfen sich die Schleswig-Holsteiner auf das Hochfahren des kulturellen Lebens machen. Alle drei großen Theater im Land haben ihre Spielzeit vorzeitig beendet. Auch das Schleswig-Holstein-Musik-Festival ist komplett abgesagt. „Nach der Entscheidung der Landesregierung, Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern bis Ende August zu verbieten, mussten wir die Reißleine ziehen“, so Intendant Christian Kuhnt. Neben den ursprünglich kalkulierten Zuschauerzahlen und finanziellen Gründen führt Kuhnt viele praktische Probleme wie zum Beispiel Reisebeschränkungen für die internationalen Künstler und Orchester an. 

Wacken ohne Metaller

Das Festival plant stattdessen, viele Musikveranstaltungen als Online-Übertragung oder auf anderen Wegen anzubieten und dafür spezielle Formate unter dem Motto „Sommer der Möglichkeiten“ zu entwickeln. Genauso in die Röhre schauen die Fans des weltweit größten Heavy-Metal-Festivals. „Unser gesamtes Team hat seit einem Jahr intensiv an dem Festival gearbeitet. Desto mehr sind wir alle enttäuscht, dass wir in diesem Jahr kein Wacken-Open-Air mit unseren Besuchern und den Bands feiern dürfen“, so Festival-Mitbegründer Holger Hübner, aber Gesundheit und Sicherheit stünden nun einmal an erster Stelle. 

Entscheidend für alle Maßnahmen sei die Wahrung der Hygiene- und Abstandsregeln, betont Ministerpräsident Daniel Günther bei jeder Gelegenheit und verweist auf den Beschluss von Bund und Ländern, dass in Kreisen oder kreisfreien Städten mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen sofort wieder ein konsequentes Beschränkungskonzept umgesetzt werden muss. Von diesen Zahlen ist Schleswig-Holstein derzeit weit entfernt.