26.04.2024

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22.05.20 / Für Sie gelesen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21 vom 22. Mai 2020

Für Sie gelesen

Emotional und politisch

Der dänische Erfolgsautor Jüssi Adler Olsen, dessen Krimiserie um Kommissar Carl Mørck vielen Lesern bekannt ist, hat in seinem neuen Thriller die Themen „Flüchtlingskrise“ und „Terrorismus“ aufgegriffen, die, in zwei Handlungsstränge aufgeteilt, ineinander übergreifen. Auf Zypern wird die Leiche einer Frau an Land gespült, deren Gesicht ein spanischer Fotojournalist in die Welt trägt. Ein psychisch gestörter Jugendlicher aus einer wohlsituierten Familie in der Nähe von Kopenhagen, der sich in die Welt eines Computerspiels flüchtet, entdeckt das Foto in einer Zeitung und konstruiert einen Zusammenhang mit seinen karriereorientierten Eltern, die er für den Tod der Ertrunkenen mit einem Terroranschlag irgendwo in Kopenhagen bestrafen will. Über die grausame Ermordung seines Vaters informiert er anonym die Polizei. 

Obwohl die Handlungsstränge reichlich konstruiert und dem Zeitgeist angepasst wirken – der irakische Ermittler Assad in Mørcks Team kennt die Tote aus dem Meer aus früheren Zeiten und die Verfolgung der Toten galt letztlich ihm selbst – entwickelt Adler Olsen eine spannende und emotionale Geschichte, die den Leser in Atem hält. MRK

Jüssi Adler Olsen: „Opfer 2117. Der achte Fall für Carl MØrck, Sonderdezernat Q“, dtv, München 2019, gebunden, 588 Seiten, 24 Euro





Verlust und Schuld

Sasha Filipenko ist Romanautor, Journalist und Drehbuchautor. Geboren im weißrussischen Minsk, schreibt er auf Russisch und lebt in St. Petersburg. „Rote Kreuze“ ist der erste von fünf Romanen, der ins Deutsche übersetzt wurde. Es ist die große Erzählkunst leiser Töne, die der junge Schriftsteller unter Beweis stellt. Es geht um Verlust und Schuld. Alexander, ein junger Mann, zieht in eine frei gewordene Minsker Stadtwohnung ein. Zunächst stören ihn die roten Kreuze, die jemand ständig im Hausflur anbringt, bis seine über 90-jährige Nachbarin Tatjana Alexejewna ihn darüber aufklärt, dass sie an Alzheimer leidet und die Kreuze zur Orientierung benötigt. Die alte Frau drängt dem tief betrübten jungen Mann ihre Lebensgeschichte auf, die von unendlichem Leid und lebenslangen Schuldgefühlen geprägt ist. 

Zunächst reagiert Alexander ablehnend, doch dann überwiegt die Neugier und gespannt folgt er den Ausführungen der alten Frau, die von schrecklichen Erlebnissen in der Stalin-Ära handeln. Das Schicksal Tatjana Alexejewnas bringt den Jungen dazu, sich zu öffnen und ihr sein eigenes, als ungerecht empfundenes, Los anzuvertrauen.MRK

Sasha Filipenko: „Rote Kreuze“, Diogenes, Zürich 2020, gebunden, 281 Seiten, 22 Euro