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29.05.20 / Kommentar / Ein Grüner schafft sich selbst ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22 vom 29. Mai 2020

Kommentar
Ein Grüner schafft sich selbst ab
Bodo Bost

Boris Palmer, seit 13 Jahren Oberbürgermeister von Tübingen, einstiges Zugpferd der Bundesgrünen, wurde nach umstrittenen Äußerungen über die Todesursachen der Corona-Opfer von seinem Landesverband zum Parteiaustritt aufgefordert.

Der Tübinger OB Palmer, der schon seit Langem für seine unbequemen, aber oft den Punkt treffenden Äußerungen bekannt ist und deshalb auch sehr erfolgreich war, lieferte seiner Partei in der Corona-Diskussion eine Steilvorlage, ihn endlich loszuwerden. Er forderte eine Lockerung der Corona-Auflagen und erklärte dabei im Frühstücksfernsehen: „Ich sag es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“ 

Palmer verwies dabei auf Berechnungen der UN, denen zufolge 

100 Millionen Kinder an den ökonomischen Folgen des Shutdowns sterben könnten. Diese Aussage, obwohl auf Berechnungen der unverdächtigen UNO basierend, führte zu massiven Vorwürfen gegen Palmer wie „Verachtung für die Älteren in der Gesellschaft“. Auch Grünen-Parteikollegen, die noch eine Rechnung mit Palmer offen hatten, sahen ihre Chance der Abrechnung gekommen. Sie warfen Palmer „Sozialdarwinismus“ und eine „Brutalisierung der öffentlichen Debatte“ vor.

Erstmals distanzierte sich auch sein eigener Grünen-Kreisverband Tübingen, den Palmer zu Spitzenwahlergebnissen geführt hatte, von seinem einstigen Zugpferd. Palmer selbst nahm zwar von seinen Äußerungen Abstand, aber eine Hetzjagd setzte ein, die nicht mehr zu stoppen war. 

Am 4. Mai kündigte schließlich die Grünen-Bundesvorsitzende Annalena Baerbock Konsequenzen für Palmers Verhalten an. Palmer würde bei einer erneuten Kandidatur nicht mehr von der Partei unterstützt werden. 

Am 8. Mai forderte der Landesverband der Grünen in Baden-Württemberg Palmer zum Parteiaustritt auf. Man behalte sich auch vor, ein Parteiordnungsverfahren gegen ihn einzuleiten. Auch Grünen Co-Chef Robert Habeck erklärte in einer Talkshow, dass seine Geduld zu Ende sei. Der Ärger über Palmer ist – wieder einmal – groß, diesmal spielen jedoch andere Gründe im Hintergrund eine wichtige Rolle. 

Mit der Corona-Krise haben die Grünen ihr Hauptthema, den Klimawandel, verloren. Die Umfragewerte sinken seit Wochen in den Keller, die Partei ist wieder auf dem dritten Platz im Parteienspektrum angelangt, eine Regierungsbeteiligung rutscht damit in weite Ferne. In der Corona-Krise machen alle grünen Parteigrößen eine schlechte Figur, Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann tauchte wochenlang in den Medien nicht mehr auf. 

Vergleich mit Sarrazin hinkt

Diese Schwäche hat Boris Palmer genutzt, um zumindest bei den Medien wieder einen Fuß in die Tür zu bekommen. Viele vergleichen jetzt Palmer mit dem früheren Berliner SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin und seinen für die Linken und Grünen gefährlichen Buchthesen, wie „Deutschland schafft sich ab“. Nur, die Asylkrise, in der Palmer sein Buch schrieb „Wir können nicht allen helfen“, war eine hausgemachte, von Angela Merkel verursachte, regionale Krise, die Corona-Pandemie ist eine weltweite Krise, die auch eine weltweite Antwort erfordert. Da ist es immer besser, auf die UN zu hören, als auf politische Stimmungsmache. 

Der Vergleich zu Sarrazin hinkt auch deshalb, weil Palmer ein wirkliches Zugpferd der Grünen war. Sein fulminanter Sieg in Tübingen 2007 hat Kretschmann 2011 den Weg nach Stuttgart an die Landesspitze geebnet. Dies war bei Sarrazin, der eher spröde und uncharismatisch wirkt, nie der Fall. Die SPD hat wegen ihm keine Wahlen gewonnen.