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29.05.20 / Corona-Entwicklung / Forscher sehen drei verschiedene Szenarien / Kommt noch eine weitere Welle? Oder sogar mehrere? Oder auch gar keine mehr? Die Experten sind sich nicht einig

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22 vom 29. Mai 2020

Corona-Entwicklung
Forscher sehen drei verschiedene Szenarien
Kommt noch eine weitere Welle? Oder sogar mehrere? Oder auch gar keine mehr? Die Experten sind sich nicht einig
Wolfgang Kaufmann

Während die Politik derzeit immer noch „auf Sicht“ durch die Corona-Krise „steuert“, wagen verschiedene Virologen und Epidemiologen Prognosen hinsichtlich des Langzeit-Verlaufs der Pandemie. Dabei orientieren sie sich an der Spanischen Grippe von 1918 bis 1920, welche große Ähnlichkeiten mit der jetzigen Corona-Welle aufwies. 

Zum einen war der vorrangige Verbreitungsweg über Tröpfchen und Aerosole der gleiche, zum anderen traf der Influenza-Stamm H1N1 genau wie das Corona-Virus SARS-CoV-2 auf eine Bevölkerung ohne jegliche natürliche Immunität. Mit Blick hierauf halten die Forscher drei Szenarien für möglich, wie man jetzt im Fachblatt „Science“ sowie einem „Standpunkt-Papier“ der wichtigsten infektionsmedizinischen und epidemiologischen Institution der USA, dem Center for Infectious Disease Research and Policy (CIDRAP) an der Universität von Minnesota, nachlesen kann.

Im besten Fall „brennt“ sie aus 

Szenario eins besagt, dass der momentanen Corona-Welle noch viele weitere Wellen folgen werden, welche nur langsam abflauen, bis dann die Mehrheit der Menschen im Jahre 2022 immun ist.

Im Szenario zwei kommt es nach dem ersten Höhepunkt der Fallzahlen, den wir jetzt hinter uns haben, zu einem weiteren, sehr viel ausgeprägteren Gipfel im Herbst oder Winter 2020/21. Denn gleichermaßen verhielt es sich während der Spanischen Grippe vor 100 Jahren. Für den Charité-Virologen Christian Drosten und den Epidemiologen Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig ist das die wahrscheinlichste Variante. Auf jeden Fall wäre es der unerfreuliche schlimmste Fall, wenn die Szenarien 1 oder zwei wahr werden würden.

Dahingegen steht das Szenario drei für den besten Fall: Nach der bereits weitgehend überstandenen Welle treten keine weiteren Häufungen von Corona-Fällen auf, sondern die Krankheit „brennt“ in den kommenden Monaten oder Jahren langsam aus.

Es kann auch noch Jahre dauern

Dabei gilt es allerdings zu bedenken, dass die Pandemien von 1918 bis 1920 und heute nicht völlig vergleichbar sind. Die Inkubationszeit ist bei einer Corona-Infektion länger als bei einer Influenza und die Zahl der Krankheitsfälle ohne Symptome größer, was die Verbreitung des Virus deutlich leichter macht. Dazu kommt die ungeklärte Frage, ob eine einmalige Infektion mit SARS-CoV-2 tatsächlich für dauerhafte Immunität sorgt. Das heißt, es könnte noch problematischer werden als vor 100 Jahren, wenn nicht bald ein zuverlässiger Impfstoff auf den Markt kommt.

Deshalb geben renommierte Experten wie Marc Lipsitch von der Harvard University in Boston und Michael Osterholm, der Leiter des CIDRAP, den Politikern nun folgende Ratschläge mit auf den Weg: Den schlimmstmöglichen Fall einkalkulieren, Strategien zum Schutz des medizinischen Personals entwickeln, Pläne für einen erneuten flächendeckenden Lockdown bereithalten und den Menschen in aller Offenheit sagen, dass die Pandemie möglicherweise noch zwei Jahre andauern werde. Ansonsten wüchsen die Illusionen ins Uferlose, was unabsehbare Folgen haben könne.