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29.05.20 / Beutekunst / Rückgabe „ohne Wenn und Aber“ / Moritz Holfelder fordert, dass alle Kunstwerke, die als „Raubgut“ aus ihren Ursprungsländern mitgenommen wurden, zurückkehren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22 vom 29. Mai 2020

Beutekunst
Rückgabe „ohne Wenn und Aber“
Moritz Holfelder fordert, dass alle Kunstwerke, die als „Raubgut“ aus ihren Ursprungsländern mitgenommen wurden, zurückkehren
Dirk Klose

Immer häufiger ist von Raubkunst die Rede. Gemeint sind Exponate vor allem in ethnologischen Museen, die aus Übersee stammen, über dortige Kulturen berichten und die vor gut 100 Jahren auf oft zweifelhaftem Wege – durch Raub, Plünderung oder Gewalt – nach Europa gelangt sind. Immer dringlicher fordern Länder in Afrika und Asien diese mit dem Argument zurück, ihnen sei mit den geraubten Schätzen die eigene kulturelle Identität selbst geraubt worden. Frankreichs Präsident Macron hat sich zum prominenten Fürsprecher dieser Forderungen gemacht.

Der mit kulturpolitischen Beiträgen bekannt gewordene Münchner Journalist Moritz Holfelder plädiert für eine Rückgabe „ohne Wenn und Aber“. In seinem gut recherchierten Buch informiert er, wie seinerzeit Kunstwerke nach Europa kamen (die berühmten Benin-Bronzen beispielsweise wurden 1897 von einer britischen Strafexpedition dem Volk der Ede im heutigen Nigeria regelrecht geraubt und dann meistbietend verhökert), warum das brisante Thema jahrzehntelang verdrängt wurde, wofür das prominenteste deutsche Museum, das Humboldt-Forum im Berliner Schloss, ein Paradebeispiel ist. Und er beschreibt auch, wo eine Restitution – so der Fachausdruck – bereits geklappt hat, wenn guter Wille vorhanden war. 

Am Ende plädiert er nicht nur für bedingungslose Rückgabe (was im äußersten Fall bis zur Nofretete in Berlin reichen könnte!), sondern generell dafür, die außereuropäischen Kulturen als gleichrangig neben den europäischen zu sehen und darüber schon im Schulunterricht zu informieren. Er verweist auf die große Wertschätzung außereuropäischer Kunst. Die erwähnten Benin-Bronzen werden von Fachleuten Meisterwerken der europäischen Renaissance gleichgestellt.

Es ist ein brisantes Thema, dem man vielleicht wirklich nur mit einer „Streitschrift“, so der Untertitel des Buches, beikommt. Auf alle Verantwortlichen, ob in Politik und Wissenschaft oder in den Museen, kommen schwerwiegende Entscheidungen zu. Etwas weniger „Streit“ hätte dem Buch gleichwohl gutgetan, etwa indem der Leser überhaupt erfährt, um wieviele Exponate es sich in Deutschland handelt (manche Quellen sprechen von über einer Million Objekten) und welches die großen Museen sind, die von einer Restitution betroffen wären. So bleibt allzu viel Emotion, was allerdings kennzeichnend für die spannungsreiche Debatte ist. 

Moritz Holfelder: „Unser Raubgut. Eine Streitschrift zur kolonialen Debatte“, Ch. Links Verlag, Berlin 2019, broschiert, 224 Seiten, 18 Euro