20.04.2024

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05.06.20 / Polizei im Lockdown Die Corona-Maßnahmen stellten die Polizei vor zusätzliche Herausforderungen. Wie konnte sie diese meistern, und half ihr dabei wirkliche ein Rückgang der Kriminalität, wie behauptet? / Ruppiges Auftreten als Kompensation / Corona-Maßnahmen erlaubten Polizeibeamten, aufgestauten Frust an Bürgern auszulassen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23 vom 05. Juni 2020

Polizei im Lockdown Die Corona-Maßnahmen stellten die Polizei vor zusätzliche Herausforderungen. Wie konnte sie diese meistern, und half ihr dabei wirkliche ein Rückgang der Kriminalität, wie behauptet?
Ruppiges Auftreten als Kompensation
Corona-Maßnahmen erlaubten Polizeibeamten, aufgestauten Frust an Bürgern auszulassen
Wolfgang Kaufmann

Seit Beginn der Corona-Krise ist die Polizei hierzulande deutlich stärker in der Öffentlichkeit präsent gewesen als in den Jahren zuvor, um die von der Politik verhängten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen durchzusetzen. Und das, obwohl die Personaldecke bei den Ordnungshütern angeblich so dünn ist, dass es kaum mehr für die Verfolgung der ausufernden Clan- und Drogenkriminalität oder anderer schwerer Delikte reicht. Dies wirft die Frage auf, wie die Polizei ihre Einsätze gegen die Corona-Sünder und -Demonstranten gewährleisten konnte und immer noch kann. 

250.000 Kontrollen bis zum 6. Mai

Eine Antwort hierauf lautet, dass viele der bisherigen Aufgaben der Polizei von Bund und Ländern seit März entfallen, da keine Großdemonstrationen, Fußballspiele vor Zuschauern, Staatsbesuche und ähnliche Ereignisse mehr stattfinden und viele Kriminelle aus Angst vor Ansteckung oder mangels Gelegenheit zu Straftaten zu Hause bleiben. Andererseits mussten die Uniformierten aber aus bisher unüblichen Gründen ausrücken, so zum Beispiel zur Absicherung der Schließung der deutschen Außen- beziehungsweise Ländergrenzen. Und dann waren da eben noch die massenhaften Corona-Einsätze: Allein die Polizei in München nahm zwischen dem 21. März und dem 6. Mai 250.000 Kontrollen vor, aus denen dann 7850 Anzeigen erwuchsen. 

Möglich wurde dies vorrangig durch Überstunden, obwohl die Beamten schon seit Längerem einen „immer größeren Eisberg“ derselben vor sich herschoben, wie der Berliner Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Norbert Cioma, beklagte. Die Ordnungshüter in der Hauptstadt hatten zu Beginn der Corona-Krise bereits 1,9 Millionen Überstunden angehäuft, ihre Kollegen in Nordrhein-Westfalen 5,6 Millionen und die Angehörigen der Bundespolizei fast zwei Millionen. Wie viele seitdem neu hinzugekommen sind, wurde bislang noch nicht offenbart.

7850 Anzeigen bis zum 6. Mai

Des Weiteren bildete die Polizeiführung Personalreserven zur Kompensation infektionsbedingter Ausfälle. Das geschah nicht zuletzt dadurch, dass man Beamte nach Hause schickte, welche Büroarbeiten erledigen und im Notfall für ihre erkrankten oder in Quarantäne befindlichen Kollegen einspringen sollten. Hamburg verteilte zudem 800 Polizeischüler auf die Dienststellen der Hansestadt. Dazu kam ein umfassender Einsatz von Technik zur Überwachung der Corona-Regeln aus der Luft.

Auffällig war und ist dabei das autoritäre Auftreten der Ordnungshüter gegenüber den Bürgern seit Beginn des Lockdowns. Dies scheint aber keineswegs die Folge vorher ausgearbeiteter polizeilicher Pandemie-Einsatzkonzepte zu sein. Denn solche gab es laut dem Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt überhaupt nicht. Und tatsächlich fehlte den Beamten anfangs ja sogar jegliche Anti-Viren-Schutzausrüstung. Das sorgte ebenso für Frustrationen bei den Einsatzkräften wie der galoppierende Autoritätsverlust in den Jahren zuvor. Dieser Unmut wurde in den letzten Wochen oft durch betont ruppiges Auftreten kompensiert. Eine wichtige Rolle spielten dabei die ganz bewusst schwammig formulierten Vorgaben vonseiten der Politik. Sie vergrößerten den Ermessensspielraum der Ordnungshüter immens. Das nutzte so mancher mit sichtlicher Süffisanz aus. Dies alles dürfte die Haltung der Bürger gegenüber der Polizei hierzulande nachhaltig verändern. Im Herbst 2019 vertrauten noch 80 bis 85 Prozent der Deutschen den Beamten in Uniform. Wie hoch dieser Wert Ende 2020 liegen wird, lässt sich nur erahnen.





Kurzporträts

Laut dem Berliner Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Norbert Cioma, führt die Corona-Krise zu einer weiteren Überforderung seiner Kollegen

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, kritisierte das Fehlen von Planungen für die Pandemie-Einsätze der Polizei

Im Gegensatz zur aktuellen Praxis in Corona-Zeiten erteilte 2015 der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière keinen Befehl zur Abriegelung der Grenzen