23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.06.20 / Kolumne / Koch und Kellner

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23 vom 05. Juni 2020

Kolumne
Koch und Kellner
Florian Stumfall

Während der letzten Maitage schickte die Islamische Republik Iran fünf Tanker in Richtung Venezuela, als ersten die „Forest“. Die Schiffe liefern Treibstoff in ein Land, das mit die meisten Erdölvorräte weltweit besitzt, und das wirft natürlich die Frage auf, wie es zu einem solchen Handel kommt. Die Misswirtschaft der sozialistischen Regierung in Bogotá hatte schon seit Längerem die Infrastruktur der Erdölindustrie verkommen lassen, sodass sich immer wieder Engpässe in der Versorgung ergaben. Dazu kamen die Sanktionen, die von den USA gegen Venezuela verhängt worden sind. Deshalb herrscht in einem der ölreichsten Länder der Welt Mangel an Treibstoff. 

Was aber hat der Iran mit der Lage Venezuelas zu tun? Teheran leidet ebenso wie Bogotá unter Sanktionen, die von Washington verhängt wurden, und die USA treiben so ihre Feinde einander in die Arme. 

Die beiden Partner wissen natürlich, dass sie durch ihre Zusammenarbeit den Zorn Washingtons hervorrufen, und so begleiteten Kampfjets der venezolanischen Luftwaffe, Suchoi Su-30 und F-16 „Fighting Falcon“, die „Forest“ als Sicherheitsgarde über die letzte Strecke bis zum Zielhafen. Zudem hatte Samuel Moncada, der Botschafter Venezuelas bei den Vereinten Nationen, den UN-Generalsekretär Guterres. wissen lassen, dass sein Land im Zusammenhang mit der Treibstofflieferung „militärische Gewalt durch die Vereinigten Staaten“ befürchte. Diese allerdings beließen es vorerst bei weiteren Sanktionen. 

Ortswechsel. Die Gasleitung durch die Ostsee zwischen Russland und Deutschland mit der Bezeichnung „Nordstream 2“ ist fast fertiggestellt, obwohl die USA und ebenso die EU alles tun, um das Projekt zu verhindern. So hat Brüssel eine rückwirkende Bestimmung erlassen, dass die Pipeline unter EU-Recht zu stehen habe, obwohl einer der beiden Häfen außerhalb dieses Rechtsraumes liegt. Rückwirkend – das widerspricht allen Rechtsnormen. Die Bestimmung kam auf Grund des Drucks aus den USA zustande. 

Sanktionen mit der EU

Was ist diesen beiden Vorgängen gemeinsam? Im Wesentlichen ist es der Umstand, dass die USA massiv in den Handel zwischen anderen Ländern eingreifen, mit militärischem Eingreifen drohen, dazu Sanktionen verhängen und schließlich die EU dazu drängen, diesen Kurs zu unterstützen. Die beiden Vorgänge sind exemplarisch dafür, dass sowohl die USA als auch die EU auf breiter Front dazu übergegangen sind, ohne Umschweife zu Drohung und Sanktion überzugehen. Das erstaunt umso mehr, als beide Mächte ihre politischen wie militärischen Eingriffe in allen Teilen der Welt damit rechtfertigen, dass sie aufgerufen seien, nicht nur Freiheit und Demokratie, sondern auch den freien Welthandel allüberall zu garantieren. 

Dabei gibt die EU an, ihre wichtigsten Ziele bei der Verhängung von Sanktionen seien unter anderem „Festigung und Förderung von Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und der Grundsätze des Völkerrechts“. Glaubhafter ist indes, dass die Sanktionen unter anderen gegen „Regierungen von Nicht-EU-Mitgliedsstaaten aufgrund ihrer Politik“ ergehen, wie es der Europäische Rat und der Rat der EU selbst formulieren. Mit anderen Worten: Wer eine Politik treibt, die Brüssel nicht passt, hat mit Sanktionen zu rechnen, im Namen des Völkerrechts. 

Sanktionen gegen EU-Firmen

Derzeit sind es 28 Staaten weltweit, die davon betroffen sind, darunter so verschiedene Staaten wie Burundi, Ägypten, Moldau, der EU-Beitrittskandidat Türkei, Montenegro und Nicaragua. Delikat ist der Umstand, dass sich unter den betroffenen Ländern auch solche finden, die ungeachtet des Verdikts aus Brüssel von Deutschland gleichzeitig Entwicklungshilfe beziehen, so der Kongo, Bosnien-Herzegowina, Libyen, der Südsudan und auch Simbabwe. Gleichzeitig Sanktionen zu verhängen und Entwicklungshilfe zu leisten – das beruht auf einer Logik, die sich nur den Weisinnen und Weisen erschließt, so die Welt regieren. Die USA und in ihrem Gefolge die EU gebrauchen Sanktionen als Mittel, einen umfassenden, globalen Machtanspruch durchzusetzen. Die Methode beruht auf der einfachen Einsicht, dass wirtschaftliche und politische Macht austauschbar sind und eine der anderen dienlich sein kann. Dabei wird sowohl auf Staaten als auch auf Unternehmen und auch Einzelpersonen Druck ausgeübt. 

„Extraterritoriale US-Jurisdiktion“ 

Im Falle von Nordstream 2 hat sich eine Firma, die maßgeblich bei der Verlegung der Rohre in der Ostsee beteiligt war, der Drohung gebeugt, dass sie von allen Aufträgen aus den USA ausgeschlossen würde, wenn sie sich nicht aus dem deutsch-russischen Abkommen zurückzieht. In diesem Fall handelte es sich um ein Unternehmen aus der Schweiz. Doch auch solche, die in der EU ansässig sind, wurden vielfach Objekt US-amerikanischer Repression. Brüssel ist es bislang nicht gelungen, europäische Unternehmen in dem Falle vor US-Sanktionen zu bewahren, in denen die Interessen divergieren. So zeigt sich auch hier, wer Kellner ist und wer Koch. Die USA geben die Linie vor, besteht Einigkeit, dann läuft die Sache, bei unterschiedlichen Interessen gibt die EU nach. Das trifft auch für europäische Unternehmen zu, und das wird so bleiben, solange der US-Markt für die meisten von ihnen unverzichtbar ist. 

Grundlage und vorgebliche Rechtfertigung für die US-Politik der Ausdehnung eigener Rechtsvorschriften auf andere Länder ist die Überzeugung, das Land sei zur Führung der Welt ausersehen und verpflichtet. Das wirtschaftliche Potential der USA macht es möglich, den eigenen Führungsanspruch durchzusetzen, zumindest vorerst noch. Die sogenannte extraterritoriale US-Jurisdiktion wird gestützt durch Gesetze des Kongresses, Verordnungen der Exekutive und Urteile der rechtsprechenden Gewalt, also von allen drei Gewalten der USA. Dem steht allerdings entgegen, dass Washington – und im Gefolge die EU – durch eine derartige Politik mehr als jede andere Kraft auf diesem Globus den freien Handel behindern. Dabei begründen die USA ihren weltweiten Anspruch ethisch durch die Behauptung, sie seien die Garanten nicht nur von Demokratie und Freiheit, sondern auch des freien Handels weltweit.

Der Autor ist ein christsoziales Urgestein und war lange Zeit Redakteur beim „Bayernkurier“.