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05.06.20 / Alexander Kerenskij / „Der Mann, der Russland ruiniert hat“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23 vom 05. Juni 2020

Alexander Kerenskij
„Der Mann, der Russland ruiniert hat“
Manuela Rosenthal-Kappi

Der von russischen Emigranten in New York als „der Mann, der Russland ruiniert hat“ Gescholtene, Alexander Kerenskij, war der Führer der Provisorischen Regierung in St. Petersburg, die sich nach der Februarrevolution von 1917 gebildet hatte. Er war jemand, der Gutes wollte und Böses schuf. 

Alexander Kerenskij, am 4. Mai 1881 als Sohn eines Gymnasialdirektors in Simbirsk geboren, war einer, dem scheinbar alles gelang. Es fiel ihm leicht, Menschen für sich zu gewinnen, wobei ihm Redegewandtheit und sein schauspielerisches Talent halfen.  

Schon früh zog es Kerenskij in die Politik. Nach dem Jura-Studium in Petrograd verteidigte er im Sommer 1906 als 25-jähriger Anwalt Gegner des Zaren. 1912 schaffte er den Sprung in die vierte Staatsduma als Vertreter der Arbeiterpartei Trudowikow. In der Duma stach er durch seine Rhetorik und diplomatisches Geschick hervor. Nach der Februarrevolution 1917 wurde Kerenskij erst Justizminister der Provisorischen Regierung und nach einer Neuorganisation derselben am 21. Juli Ministerpräsident. Die Regierung, der Kerenskij angehörte, war eine liberal-sozialistische Koalition unter Ausschluss der Bolschewiken. 

An der Macht war dem erfolgsverwöhnten Kerenskij wenig Glück beschieden. Es gelang ihm weder, die fortschreitende Revolution unter Kontrolle zu bringen, noch, die Bedürfnisse der Bevölkerung nach Brot, der Bauern nach Land oder die der ermüdeten Soldaten nach Frieden zu befriedigen. Stattdessen gab er sich der Illusion hin, dass das Volk nach einer Liberalisierung der Regierung aus nationalem Ehrgefühl einen siegreichen Krieg fortsetzen wolle. 

Er unterschätzte völlig, welche Gefahr ihm seitens der Bolschewiki drohte. Am 1. September erklärte Kerenskij Russland zur Republik, und schon am 7. November 1917 musste er vor seinen Gegnern fliehen. Ab 1918 lebte er in London. 1940 wanderte Kerenskij in die USA aus. Von New York aus betrieb er antisowjetische Propaganda. Er lehrte an verschiedenen Universitäten, schrieb Bücher über die Russische Revolution, historische Abhandlungen und seine Memoiren. Er starb dort vor 50 Jahren am 11. Juni 1970.

Zuweilen wird Kerenskij mit Michail Gorbatschow verglichen. Beide Juristen konnten ihre politischen Ziele nicht verwirklichen. Beide gelten als Zerstörer ihres Landes. Kerenskij wurde vorgeworfen, nach dem Putschversuch des von ihm zum Obersten Befehlshaber der Armee ernannten Generals Lawr Kornilow nach links abgetrieben zu sein und so Russland vollends in den Ruin getrieben zu haben.