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05.06.20 / Denkmalschutz in Nordostpreussen / Sorge um das Geburtshaus von Lovis Corinth / Dach und Mauern stürzten bei Restaurierungsarbeiten ein – Behörden versichern, dass ein Museum entstehen wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23 vom 05. Juni 2020

Denkmalschutz in Nordostpreussen
Sorge um das Geburtshaus von Lovis Corinth
Dach und Mauern stürzten bei Restaurierungsarbeiten ein – Behörden versichern, dass ein Museum entstehen wird
Jurij Tschernyschew

Im Königsberger Gebiet gibt es mehrere historische und architektonische Denkmäler, um deren Restaurierung sich regelrechte Dramen entwickelten. Es sei nur an das Kant-Haus oder das Gebäude der Kreuz-Apotheke erinnert. Doch es gibt noch ein anderes Bauwerk, um das es zurzeit hitzige Diskussionen gibt. 

Es handelt sich um das Geburtshaus des berühmten expressionistischen Künstlers Lovis Corinth in Tapiau. Das Haus wurde 1825 erbaut und Ende des 

19. Jahrhunderts teilweise umgebaut. Das Gebäude gehörte den Eltern des Künstlers, Heinrich und Wilhelmine Corinth, wohlhabenden Besitzern einer Gerberei und eines großen landwirtschaftlichen Betriebes. 1858 wurde ihr Sohn geboren, den sie Franz Heinrich Louis nannten. Das Haus bestand aus Erd- und Dachgeschoss. Trotz der geringen Größe des Gebäudes beherbergte es neben den Wohnräumen der Eigentümer eine Küche mit Räucherkammer im Erdgeschoss, und das Dachgeschoss wurde vom Personal bewohnt.

Bevor er nach Königsberg zog, wo Lovis Corinth am Kneiphof-Gymnasium und dann an der Kunstakademie studierte, lebte er etwa 15 Jahre lang in seinem Elternhaus. Zu Sowjetzeiten behielt die Wasserstraße, in der sich das Haus der Familie Corinth befand, im Grunde ihren Namen. Sie wurde ins Russische übersetzt in Wodna-Straße. In der Nachkriegszeit als Wohnhaus genutzt, wurde ihm im März 2007 durch ein Dekret der Regierung des Königsberger Gebiets der Status eines regionalen Kulturerbes zuerkannt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Gebäude bereits in einem schlechten Zustand, und 2015 wurden seine Mieter in eine andere Wohnung umgesiedelt. Das Haus war von einem Zaun umgeben, und die Fenster waren versiegelt. Wie es meistens geschieht, verfiel das leerstehende Haus schneller als gewöhnlich. Im Laufe der folgenden Jahre stürzte das Ziegeldach ein. Feuchtigkeit drang ein, sodass die Wände einzustürzen begannen. 

Wiederaufbau seit Jahren geplant

Über den Wiederaufbau des Gebäudes wurde bereits vor einigen Jahren nachgedacht, sodass die Erstellung einer Entwurfs- und Kostenvoranschlagsdokumentation in Auftrag gegeben wurde. Als die Dokumentation fertig war, gab es auch ein detailliertes Konzept für die Nutzung und Entwicklung des Corinth-Hauses als Museum und Ausstellungszentrum. Es ist geplant, eine Zweigstelle des Museums der Schönen Künste zu eröffnen, dass sich im Gebäude der ehemaligen Königsberger Börse befindet. Eine der Abteilungen der Dauerausstellung des Kunstmuseums ist dem Werk von Lovis Corinth gewidmet. Die Sammlung des Museums umfasst mehr als 100 Drucke und Grafiken des Künstlers.

Im Jahr 2015 erschien ein Buch über den Künstler mit dem Titel „Lovis Corinth (1858–1925). Leben und Werk“, und es gab drei wissenschaftliche Konferenzen zu seinem Werk. Darüber hinaus wird die Sammlung mit Hilfe von Kollegen aus der Bundesrepublik immer wieder bereichert. Insbesondere erhielt das Königsberger Kunstmuseum im vergangenen Sommer drei Corinth-Grafiken als Geschenk des Privatmuseums Walchensee in Bayern. Diese Werke nahmen ihren Platz in der Ausstellung ein, die den Titel „Kaliningrad–Königsberg: Brücke über die Zeit“ trägt. Im Heimatmuseum von Tapiau befindet sich übrigens eine Lithografie mit dem Selbstporträt Corinths mit der Originalunterschrift des Künstlers, die 2017 vom deutschen Professor Volker Kreyer, dessen Verwandte in Tapiau lebten, überreicht wurde.

Ausstellung in Haus und Garten

Das Konzept einer Museumsniederlassung im Corinth-Haus wurde in Zusammenarbeit mit der nach Immanuel Kant benannten Baltischen Staatlichen Universität entwickelt und beinhaltete einen detaillierten Entwurf für jede Ausstellungshalle. Da das Häuschen klein ist und eine Gesamtfläche von etwa 275 Quadratmetern hat, sollte in die Ausstellung auch die Umgebung integriert werden. Ende 2019 wurde schließlich ein Auftragnehmer in Tapiau ausgewählt, der mit dem Wiederaufbau des Corinth-Hauses begann. Das Unternehmen „Miriam“ erhielt einen Auftrag im Volumen von umgerechnet rund 227.000 Euro. Neben der Rekonstruktion des Gebäudes sollten die Bauherren bis zum Herbst 2020 für die Beleuchtung sorgen sowie Gas- und Wasserleitungen verlegen und den Garten neu gestalten.

Die Restaurierungsarbeiten gestalteten sich abenteuerlich. Im März wurde festgestellt, dass die Wände des Hauses einstürzten, und der Bauunternehmer war dabei, die restlichen Mauern des Gebäudes abzutragen. Darauf erfolgten emotionale und empörte Reaktionen der lokalen Behörden, Bürger und Architekten, denen der Wiederaufbau nicht gleichgültig ist. Laut der Architektin Maria Sisikowa, die für die Bauaufsicht zuständig ist, hat der Auftragnehmer weder sie noch den Denkmalschutzdienst darüber informiert, dass er mit dem Abbau des Gebäudes beginnt.

Der Tourismusminister der Region, Andrej Jermak, beeilte sich jedoch, alle zu beruhigen. Seinen Angaben zufolge hat der Auftragnehmer beschlossen, Anpassungen an dem Projekt vorzunehmen. Er lehnte die Formulierung ab, dass die Mauern einfach einstürzen würden, und sagte, es handele sich um eine geplante und erzwungene Maßnahme, da die Mauern eigens demontiert würden, um sie stabiler wiederaufzubauen. Es sei geplant, dass die Mauern authentisch mit Ziegelsteinen restauriert werden. 

Er fügte hinzu, dass ein Teil der Mauern erst lange, nachdem Corinth dort gelebt habe, gebaut worden sei und dass sie keinen besonderen Wert besäßen. Es ist jetzt nur noch das Fundament des Hauses übrig, auf dem das Gebäude nachgebildet werden soll unter der Maßgabe, dass das Erscheinungsbild dem des Originals so nahe wie möglich kommt. Die Arbeiten sollen im Herbst dieses Jahres abgeschlossen sein.