25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
12.06.20 / Schleswig-Holstein / Eine vorgebliche Wiedervereinigung / Als Folge des Versailler Diktats wurden die „up ewig Ungedeelten“ entgegen dem Privileg von Ripen geteilt, allerdings nicht an der Eider zwischen Schleswig und Holstein, sondern mitten durch Schleswig

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24 vom 12. Juni 2020

Schleswig-Holstein
Eine vorgebliche Wiedervereinigung
Als Folge des Versailler Diktats wurden die „up ewig Ungedeelten“ entgegen dem Privileg von Ripen geteilt, allerdings nicht an der Eider zwischen Schleswig und Holstein, sondern mitten durch Schleswig
Fedor M. Mrozek

Als Folge des verlorenen Ersten Weltkrieges musste Deutschland 1920 den nördlichen Teil Schleswigs an Dänemark abtreten. Als symbolischer Akt der Besitzergreifung blieb auf dänischer Seite der Ritt Christians X. am 10. Juli 1920 auf einem Schimmel über die alte Grenze an der Königsau bei Christiansfeld im kollektiven Gedächtnis haften, nachdem die dänischen Behörden bereits am 15. Juni die Verwaltung übernommen hatten.

Der 15. Juni wird seitdem als Tag der sogenannten Wiedervereinigung des Königreiches mit Nordschleswig gefeiert, das konsequenterweise in der dänischen Sprachwelt in der Regel als Südjütland firmiert. Wer dies als historische Reminiszenz abtun möchte, möge die offizielle dänische Sicht auf das 100. Jubiläum im weltweiten Netz ergründen. Diese findet sich unter dem Schlagwort „Genforeningen 2020“ als „Portal zum 100-jährigen Jubiläum der Volksabstimmungen und Grenzziehung 1920“ (www.genforeningen2020.dk), einer Internetpräsenz des königlichen Kulturministeriums in Kopenhagen und der Region Süddänemark. Dahingegen lautet das Motto der Landesregierung Schleswig-Holstein „100 Jahre Volksabstimmungen – Gemeinsam über Grenzen –“ (www.gemeinsam-ueber-grenzen.de“) und wird mit einem Logo beworben, bei dem die beiden Nullen in der Zahl 100 durch einen Smiley in Schwarz-Rot-Gold und einen mit dem Dannebrog, der dänischen Nationalflagge, dargestellt sind.

Worauf fußt die dänische Vorstellung einer „Wiedervereinigung“? In den Annalen Einhards, des Biografen Karls des Großen, wird für das Jahr 804 die Anwesenheit eines dänischen Königs namens Godafrid (Göttrik) bei Sliesthorp (Haithabu) an der Schlei „auf der Grenze seines Gebiets und Sachsens“ bezeugt und für 808 seine erneute Anwesenheit: „Hier blieb er mehrere Tage und beschloss, die Grenze seines Reiches nach Sachsen zu mit einem Wall zu schirmen“, den wir heute unter dem Namen Danewerk kennen. Mit Hemming, dem Neffen Godafrids, gelang Kaiser Karl 811 die Verständigung über die Grenze der Machtbereiche, als „bei Frühlingsanfang nun von seiten beider Völker, der Franken nämlich und der Dänen, je zwölf vornehme Männer an der Eider zusammentraten, nach Recht und Brauch einander den Eid abnahmen und so den Frieden fest schlossen.“ Diese Grenze hielt bis zum Deutsch-Dänischen Krieg von 1864. 

Preußen verweigerte Plebiszit

Das Herzogtum Schleswig war über Jahrhunderte ein Lehen der dänischen Krone, während die Grafschaft Holstein mit Stormarn zunächst ein Herrschaftsgebiet des von den Franken unterworfenen Stammesherzogtums Sachsen bildete. Beide Teile verselbstständigten sich jedoch bereits im 12. Jahrhundert, als der sächsische Herzog Lothar von Supplinburg, nachmaliger deutscher König und römischer Kaiser Lothar III., den von der Weser stammenden Adolf I. aus dem Geschlecht der Schauenburger im Jahre 1111 mit der Grafschaft Holstein belehnte und der dänische König Niels mit seinem Neffen Knud Laward 1115 einen Jarl genannten Statthalter in Schleswig einsetzte. Erstmals 1326 wird mit Gerhard III. einem Holsteiner Grafen vom dänischen König „das Herzogtum Schleswig als erbliches und freies Fahnenlehen übertragen“, und der unter der Vormundschaft seines Onkels Gerhard stehende König Waldemar III. muss zudem in der „Constitutio Valdemariana“ versprechen, dass die Krone der Dänen und das Herzogtum Schleswig nicht in einer Hand vereinigt werden dürfen. Erneut gelingt es 1386 Graf Gerhard VI., sich mit Schleswig belehnen zu lassen, diesmal aus der Hand einer Frau, Königin Margarethes I. – nun erscheinen in seinem Siegel zum ersten Mal die beiden schleswigschen Löwen gemeinsam mit dem holsteinischen Nesselblatt als Ausweis der Personalunion. 

Nach dem Aussterben der Schauenburger mit dem Tode Adolfs VIII. drohte 1459 die Bestimmung zweier verschiedener Herrscher durch den dänischen König für Schleswig und den Kaiser für Holstein. Der längst sowohl nördlich als auch südlich der Eider verwurzelten Ritterschaft gelang jedoch ein Coup. Sie wählten im Jahr darauf durch ihre Räte und die Bischöfe von Schleswig und Lübeck mit Billigung des Kaisers den dänischen König Christian I. aus dem Grafengeschlecht der Oldenburger zum Herzog von Schleswig und Grafen von Holstein, wobei der neue Doppel-Herrscher im Privileg von Ripen am 5. März 1460 feierlich die Zusage geben musste, beide Lande blieben ewig zusammen ungeteilt („dat se bliven ewich tosamende ungedelt“). Damit war eine Realunion entstanden, die 1474 dank Kaiser Friedrich III. durch das Avancieren Holsteins zum Herzogtum auch formell auf Augenhöhe gehoben wurde und – wenn auch nicht ununterbrochen ­– bis 1864 Bestand hatte. Der Versuch des Jahres 1863, mit einer eiderdänischen Verfassung die Eingliederung Schleswigs zu erzwingen, rief den Deutschen Bund auf den Plan und endete nach Bundesexekution sowie Eroberung Jütlands 1864 mit der Abtretung der drei Elbherzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preußen und Österreich. 

Oberflächlich betrachtet führte der Streit der Sieger über die Beute zwei Jahre später zum Deutschen Krieg. Preußen obsiegte und im Frieden zu Prag trat Österreich am 23. August 1866 alle Rechte an den Herzogtümern an die andere deutsche Großmacht ab. Am 12. Januar 1867 wurde mit dem Besitzergreifungspatent des preußischen Königs Wilhelm I. die preußische Provinz Schleswig-Holstein geschaffen. 

Auf Druck der damals stärksten Macht des Kontinents, deren Kaiser Napolein III. als Kind der Revolution für damalige Verhältnisse sehr fortschrittlich auf Plebiszite setzte, erhielt der Frieden zu Prag die sogenannte Nordschleswig-Klausel. Der zufolge sollte „die Bevölkerung der nördlichen Distrikte von Schleswig, wenn sie durch freie Abstimmung den Wunsch zu erkennen gebe, mit Dänemark vereinigt zu werden, an Dänemark abgetreten werden“. Österreich brachte die Klausel keinen Vorteil, und Preußen war sie lästig. 

1878/79 kam es zur sogenannten konservativen Wende in der bismarckschen Politik. Einher damit ging eine Hinwendung des Deutschen Reiches zu Österreich-Ungarn, die von letzterem erwidert wurde und schließlich zum Zweibund von 1879 führte. Als eine Geste des guten Willens stimmte Wien 1878 zu, die Nordschleswig-Klausel im Frieden zu Prag zu streichen. Diese Streichung wurde 1907 von Dänemark in der Apenrader Konvention zur Lösung der Optantenfrage anerkannt. 

Versuch einer gütlichen Einigung 

Gegen Ende des Ersten Weltkrieges unternahm Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau, der deutsche Gesandte in Kopenhagen und spätere Reichsminister des Auswärtigen, noch einen Anlauf, um per Volksabstimmung die Nordschleswig-Frage mit dem neutralen Nachbarn im Norden ohne Beteiligung der Siegermächte zu lösen, doch die Einflußnahme der Alliierten ließ kein deutsch-dänisches Einvernehmen mehr zu.