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12.06.20 / Fahrradreisen / Rauf aufs Rad! / Endlich wieder Urlaub in Österreich – Eine E-Bike-Tour in der Oststeiermark und im Südburgenland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24 vom 12. Juni 2020

Fahrradreisen
Rauf aufs Rad!
Endlich wieder Urlaub in Österreich – Eine E-Bike-Tour in der Oststeiermark und im Südburgenland
Harald Tews

Der Tacho zeigt 43 Stundenkilometer an. Bergab auf gerader Strecke kann man an Weinhängen vorbei ungebremst herunterrollen und dennoch entspannt den Fahrtwind genießen, der die Kleidung wie eine Windfahne flattern lässt. Die breite Radstrecke ist frei, noch ist hier in der Oststeiermark nicht viel los.

Aber das wird sich bald ändern. Am 15. Juni will Österreich die Grenzen öffnen. Nach dem Lockdown können dann endlich wieder auch deutsche Touristen ins Land der Berge. Und das bedeutet: endlich heraus aus den eigenen vier Wänden, endlich einen Tapetenwechsel, endlich Urlaub. Endlich!

An den vergangenen Wochenenden haben viele Lockdown-Geplagte ihre Liebe zum Fahrrad entdeckt. Man war an der frischen Luft, wo die Ansteckungsgefahr gleich null ist, und man war trotzdem mobil unterwegs. Vor allem die E-Bike-Händler reiben sich als große Gewinner der Krise gerade die Hände. Mit einem Elektrofahrrad machen wir uns nun zu einem verlängerten Wochenende nach Österreich auf, und zwar von Hartberg in der Oststeiermark bis ins Südburgenland.

E-Bikes sind für das bergige Österreich wie geschaffen. Bergauf schafft man damit selbst steilste Passagen ohne viel Kraftanstrengung. Man stellt die Leistung auf die höchste Stufe 5 und tritt in die Pedale. Den Rest erledigt der Akkumotor.

In der Oststeiermark muss man aber selten so hochschalten. Die Alpen laufen hier in sanften Hügeln aus, die kaum höher als 300 Meter sind. Deshalb ist es ideales Radfahrterrain. Die gut ausgeschilderte EuroVelo-Route 9, die von Danzig aus über Breslau, Brünn und Wien bis zur Adria führt, verläuft hier entlang. Entsprechend gibt es entlang dieser Strecke viele Radverleiher und Bike-Hotels.

Burgenland wird 100 Jahre

In Hartberg sind wir im Gasthof Pack „Zur Lebing Au“ untergebracht, das allein schon wegen seiner außergewöhnlich guten Küche zu empfehlen ist. Mit den Leihrädern – der erste Tag kostet 25 Euro, jeden weiteren Tag wird es etwas günstiger – erkunden wir zunächst die Stadt, deren auffälligstes Bauwerk das Fußballstadion ist, auf dessen Tribüne fast alle Einwohner der Stadt Platz finden. In Hartberg leben 6700 Menschen, aber ihr Fußballclub spielt in Österreichs erster Liga. Für Kulturfreunde eher interessant sind das spätromanische Beinhaus neben der Pfarrkirche mit seinen Freskenwänden oder das prächtige Schloss der Stadt.

Wer in dieser Kultur- und Weingegend mit dem Rad ehrgeizig nur Kilometer abreißt, verpasst einiges. So auch die Thermenvielfalt. Entlang den Radstrecken gibt es sechs Thermalorte, in deren Warmwasserbecken sich die gestressten Waden wunderbar entspannen können. Der außergewöhnlichste Ort ist dabei die Hundertwasser-Therme Bad Blumau, nur etwa 30 Kilometer südlich von Hartberg gelegen. Ein bunter, in die Landschaft integrierter Hotelkomplex nach Plänen des Künstlers Friedensreich Hundertwasser ist hier entstanden (siehe PAZ vom 3. Januar). Für Radtouristen besser geeignet ist die nicht weit entfernte Heiltherme Bad Waltersdorf, in der man in mehreren Außen-, Innen- und Sprudelbecken im vulkanisch erhitzten, bis zu 36 Grad warmen Wasser genussvoll entspannen kann.

Nach einer Nacht im oberhalb von Bad Waltersdorf gelegenen und herrlich ruhigen Hotel Teuschler-Mogg geht es an Streuobstwiesen vorbei Richtung Güssing ins Burgenland. Österreichs östlichstes Bundesland gibt es eigentlich erst seit genau 100 Jahren. Im Vertrag von Trianon musste 1920 der Weltkriegsverlierer Ungarn seine westlichste Provinz Deutsch-Westungarn an Österreich abtreten. Den neuen Namen Burgenland erhielt das Gebiet nicht etwa, weil es dort viele Burgen gibt, sondern weil viele der Städte des historischen – zum Teil außerhalb Österreichs liegenden – Gebiets auf „burg“ enden: Pressburg, Ödenburg, Eisenburg.

Eine richtige Burg kommt dann doch in Sicht. Auf einem steilen Vulkankegel thront Burg Güssing. Selbst mit dem 

E-Bike wird es schwierig, hier hochzukommen. Dafür gibt es einen Schrägaufzug, der einen in die Burg der ungarischen Adelsfamilie Batthyány bringt. Wer will, kann sich im Museum mittelalterliche Familienschätze ansehen oder die herrliche Aussicht auf die pannonische Tiefebene nach Ungarn hinein genießen.

Denn von nun an bewegen wir uns immer dicht am früheren Eisernen Vorhang entlang. Nach dem Lockdown gab es hier wieder strenge Grenzkontrollen, doch vom 15. Juni an sollen diese wieder entfallen.  Das Kellerviertel Heiligenbrunn, das wir wegen des Uhudler-Weins, der nur im Burgenland angebaut werden darf, anfahren, befindet sich bereits im äußersten südöstlichsten Zipfel des Landes. 

In dem etwa zwei Kilometer langen Kellerviertel befinden sich rund 150 Weinkeller, viele von ihnen sind denkmalgeschützte Häuser mit weißgekalkten Wänden und strohbedeckten Dächern. Hier darf man den Winzern bei der traditionellen Weinherstellung noch über die Schulter schauen und nebenbei den, na, sagen wir: gewöhnungsbedürftigen Uhudler probieren.

Leicht beschwingt geht es wieder rauf aufs Rad. Hier finden sich bestens asphaltierte Radwege, die alles andere als Buckelpisten sind. Ein Mittelstreifen trennt den Gegenverkehr und Pfeilmarkierungen sorgen für Orientierung. Das Ziel ist ein Kellerstöckl bei Moschendorf. Viele früher als Weinlager genutzte Kellerstöckl werden heute als liebevoll eingerichtete Ferienwohnungen vermietet. Es gibt rund 100 davon. Und diese sind durchaus günstig. Ab 50 Euro pro Tag und Nacht kann man sich dort direkt am Weinberg einrichten. Wer eine Woche bleibt, bekommt Rabatt, und wer sie als vierköpfige Familie bezieht, macht dabei ein echtes Schnäppchen. Und das Schöne: Man ist fernab großer Straßen mitten in der Natur.

Vom Kellerstöckl aus erkunden wir die weitere Umgebung. Wer das erste Mal 

E-Bike fährt, gewöhnt sich schnell daran. Heraufschalten bei Steigungen, auf Null stellen, wenn es wieder heruntergeht. Dabei gilt: Auch das E-Bike fährt nicht von allein. Getreten werden muss immer, auch bei Akku-Unterstützung. Auf gerader Strecke reicht diese immer nur bis 

25 Stundenkilometer. Wer schneller sein will, muss kräftig treten, oder sich bei einem Abhang herabrollen lassen.

Doch zunächst geht es über den Csaterberg hinauf nach Badersdorf zu Aloisias Mehlspeiskuchl. Diese urige Konditorei ist eine Institution über das Südburgenland hinaus. Mit 48 Jahren fing die Hausfrau Aloisia Bischof an, das Bäckerhandwerk zu erlernen, um die Tradition der Hochzeitsmehlspeisen zu bewahren. Obwohl sie inzwischen das Rentenalter längst erreicht hat, steht das Energiebündel immer noch in der eigenen Backstube und bedient die Kunden persönlich am Verkaufstresen. Ihre Hochzeitstorten und Kekse verkauft sie sogar österreichweit. Neben dem Café hat sie außerdem ein Hochzeitsmuseum eingerichtet.

Wir strampeln unsere neu erworbenen Kalorien am Eisenberg ab, machen oben einen Zwischenstopp an der Weinresidenz am Eisenberg, einem exquisiten Vier-Sterne-Garni-Hotel, ehe wir unser Sündenkonto in dieser an kulinarischen Höhepunkten überreichen Gegend endgültig in ein sattes Plus bringen.

Irgendwo hier bei dem Ort Deutsch-Schützen an einem Weinberg mit Blick auf Ungarn gibt es eine Hauben-Küche. Ein Haubenkoch ist in Österreich so etwas wie ein Sternekoch in Deutschland. Der Küchenkünstler Stefan Csar vom Restaurant Ratschen hat nicht nur eine, sondern zwei der vom Restaurantführer Gault-Millau vergebenen (Koch-)Hauben. Ein Vier-Gänge-Menü kostet 58 Euro, wer acht Gänge haben möchte, zahlt 98 Euro. 

Es war in Vor-Corona-Zeiten schon voll hier, nach dem Lockdown wird es noch schwieriger sein, bei Ratschen einen Platz zu bekommen, weil nur die Hälfte der Plätze vergeben werden darf. Aber wer nicht Csars gedämpften Wels oder den moussierten Bauerntopfen probiert hat, der hat etwas verpasst.

Zu einer Radtour gehört aber nun einmal eine anständige Belohnung. Wir haben uns das verdient. Am nächsten Tag, einem Sonntag, war übrigens deutlich mehr los auf den Radwegen. Die Einheimischen sind dann unterwegs. „In der Woche arbeiten viele von ihnen in Wien, dann gehört das Südburgenland fast allein dem Gast“, erklärt Harald Popofsits vom Tourismusverband Südburgenland. Die anstehende Grenzöffnung sowie die idealen Rad- und Wanderstrecken in der Region führen nach seinen Angaben schon jetzt zu vielen Anfragen aus Deutschland.

Dann also nichts wie hin und rauf aufs Rad. Gesund ist es außerdem.

b Oststeiermark Bike-Hotels: www.hartbergerland.at, www.steiermark.com; 

E-Bike-Verleih: www.bike-total.at. Südburgenland Kellerstöckl: www.suedburgenland.info; E-Bike-Verleih: www.ebikeparadies.at oder www.ebikesuedburgenland.at