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19.06.20 / Statistik-Tricks / Wie man mit der Wahrheit lügt / Es ist gar nicht nötig, Zahlen zu fälschen: Wer falsche Zusammenhänge erfindet, Faktoren auslässt, oder die Präsentation manipuliert, führt die Menschen ebenso erfolgreich in die Irre

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25 vom 19. Juni 2020

Statistik-Tricks
Wie man mit der Wahrheit lügt
Es ist gar nicht nötig, Zahlen zu fälschen: Wer falsche Zusammenhänge erfindet, Faktoren auslässt, oder die Präsentation manipuliert, führt die Menschen ebenso erfolgreich in die Irre
Wolfgang Kaufmann

Dem britischen Premierminister Winston Churchill wird das Bonmot zugeschrieben: „Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.“ Dabei ist es heutzutage kaum mehr nötig, Zahlen in betrügerischer Absicht zu erfinden. Vielmehr reicht es aus, korrekte Daten tendenziös zu interpretieren oder zu präsentieren. Insofern trifft auch der Satz zu, den Churchills Landsmann Benjamin Disraeli, welcher von 1874 bis 1880 gleichfalls als Premier des Empire fungierte, einst geäußert haben soll: „Es gibt drei Arten von Lügen: Lügen, verdammte Lügen und Statistiken.“ Hierzu einige Beispiele.

Angenommen, in einem Jahr würde einer von einer Million Deutschen tödlich vom Blitz getroffen werden. Das ergäbe eine Quote von 0,0001 Prozent. Stiege dann im Folgejahr die Zahl der Opfer auf zwei von einer Million Bürger hierzulande, dann läge der Anteil nun bei 0,0002 Prozent, was immer noch sehr wenig wäre. Trotzdem könnten die Boulevardzeitungen reißerisch von einer Verdoppelung der Toten durch Blitzschlag schreiben – mit dem wahrscheinlichen Ergebnis, dass so mancher naiv-ängstliche Leser den Sommer dann doch lieber in den heimischen vier Wänden verbringt statt in der freien Natur. Und so etwas passiert in der Realität tatsächlich – inklusive der teilweise recht dramatischen Folgen.

Mitte der 1990er Jahre warnte das britische Komitee für die Sicherheit von Arzneimitteln vor einer neuen Antibabypille: Bei den hergebrachten Produkten liege das Risiko, eine potenziell tödliche Thrombose zu bekommen, bei 0,016 Prozent, im Falle der neuen Pille aber bei 0,029 Prozent. Das ging durch alle Medien, wobei von einer „zweifachen Erhöhung“ der möglichen Sterberate die Rede war. Dadurch verzichteten viele Frauen komplett auf die Einnahme von hormonellen Kontrazeptiva. Infolgedessen registrierte der Nationale Gesundheitsdienst Großbritanniens in den nächsten Jahren einen starken Anstieg der Abtreibungen. Fachleute sprechen daher heute von künstlich erzeugter „Pillenangst“.

Führen Feuerzeuge zu Krebs?

Eine weitere Methode, die Menschen mit richtigen Daten in die Irre zu führen, ist es, beim bloßen Zusammentreffen zweier Ereignisse (Korrelation) einen Zusammenhang (Kausalität) zu unterstellen. Korrelationen sind aber nur Hinweise dafür, dass ein Zusammenhang zwischen zwei Dingen bestehen könnte, während Kausalitäten für nachweisliche Ursache-Wirkungs-Ketten stehen.

Es gibt jede Menge Beispiele für die absonderlichsten Korrelationen, welche – würden sie ernst genommen – zu bizarren Verhaltensweisen führen müssten. So sterben Jahr für Jahr zahllose Menschen im Bett. Was logisch ist, da wir rund ein Drittel unserer Zeit darin verbringen und Pflegefälle oder Kranke oft sogar den ganzen Tag. Daraus könnte man nun ableiten, dass das Bett ein lebensgefährlicher Ort sei, und es zukünftig strikt meiden.

Andere Korrelationen ohne Zusammenhang sind folgende: Die Menge der US-Amerikaner, die zwischen 1999 und 2009 in einem Swimmingpool ertranken, korrelierte Jahr für Jahr mit der Zahl der neuen Filme des Schauspielers Nicolas Cage. Menschen, die Feuerzeuge in der Tasche herumtragen, sterben deutlich öfter an Lungenkrebs. Im Sommer gehen sowohl die Zahlen der verkauften Eiswaffeln als auch der Hitzschlagtoten hoch. Die Scheidungsrate im US-Staat Maine sinkt und wächst proportional zum Verzehr von Margarine dort. Zudem korrelieren die Ausgaben der USA für Forschung und Raumfahrt recht genau mit der Häufigkeit der Selbstmorde im Lande durch Erhängen. Und zu Beginn der Corona-Pandemie stieg die Zahl der Infizierten in manchen Ländern ähnlich stark an wie die der durchgeführten Tests. Hätte man also besser auf das „offensichtlich“ krank machende Testen verzichten sollen?

Manipulation ist auch das Verschweigen eines dritten Faktors. Mit dem Anwachsen der weltweiten CO2-Emissionen nahm zugleich die Zahl der Übergewichtigen zu. Macht CO2 also dick? Wohl kaum. Vielmehr stieg in vielen Ländern der Wohlstand. Und dieser Faktor Nummer Drei führte zum einen zum verstärkten Ausstoß von CO2 und zum anderen zur Veränderung der Essgewohnheiten.

Ebenso werden die kausalen Zusammenhänge gerne mal umgekehrt. Manche „Experten“ verkünden, Kinder, welche ihre Zeit mit „Ballerspielen“ am Computer verbrächten, würden als Erwachsene eher gewalttätig. Tatsächlich läuft es anders herum: Wer aggressive Neigungen verspürt, sucht sich nicht dieselben Beschäftigungen wie die Friedfertigen.

Und dann wird natürlich auch bei der grafischen Darstellung der Daten getrickst, was das Zeug hält. Am 1. Oktober 2005 setzte der US-Bundesstaat Florida das sogenannte Stand-Your-Ground-Law in Kraft, welches es den Bürgern erlaubte, tödliche Gewalt anzuwenden, um einen rechtswidrigen Angriff zu stoppen. In den Jahren darauf suggerierten einige Zeitungen, die Zahl der Schusswaffenopfer sei seit der Einführung des Gesetzes deutlich gesunken. 

Das geschah vermittels von Grafiken, bei denen die y-Achse auf dem Kopf stand. Dadurch wirkte der deutliche Anstieg der Erschossenen von reichlich 500 pro Jahr auf über 800 wie ein Rückgang.

Weitere Manipulationen erfolgen dadurch, dass die y-Achse nicht bei Null beginnt. So wirkt eine Senkung des Steuersatzes von 36 auf 35 Prozent sehr viel beeindruckender, wenn die y-Achse der Grafik nur von 30 bis 40 statt von Null bis 100 reicht. Und damit steht natürlich der Finanzminister, dem die Bürger die „Wohltat“ zu verdanken haben, viel besser da.

Man sollte sich Statistiken also immer sehr genau ansehen und dabei sowohl auf die Details als auch den Zusammenhang achten: Was besagen die Zahlen tatsächlich? Wie sind sie zustande gekommen? Wer steckt hinter ihrer Präsentation? Und was sind die Absichten dahinter? Sind diese Fragen beantwortet, fällt so manches statistische Kartenhaus zusammen – auch in Pandemie-Zeiten.